Object: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

40 Erstes Buch. $ 9. 
die Gesetzgebung des ehemaligen Kurfürstentums Hessen. Nach der- 
selben waren die Gerichte befugt, jeden unberechtigten Eingriff der 
Regierungsgewalt in die natürliche Freiheit oder das Eigentum der 
rivatpersonen zurückzuweisen?, 
Die Entscheidung fast aller im Bereiche der Verwaltung auf- 
tretenden Rechtsfragen durch die Verwaltungsbehörden erwies sich 
auf die Dauer als immer unhaltbarer. In den Zeiten des absoluten 
Staates war zwar der Monarch in Ausübung seiner Verwaltungs- 
befugnisse durch keinerlei Schranken gebunden gewesen. Dagegen 
lag eine große Garantie für eine unparteiische Anwendung der vom 
Monarchen ausgegangenen allgemeinen Anordnungen, sowie für eine 
maßvolle Handhabung der Verwaltungsbefugnisse in der kollegialen 
Organisation der Verwaltungsbehörden und der rechtlich geschützten 
Stellung ihrer Mitglieder. Infolge des Instanzenzuges war jedem 
Untertan die Möglichkeit gegeben, sich mit einer Beschwerde an 
die höheren Verwaltungsbehörden zu wenden, wenn er durch eine 
Verfügung der niederen Organe beschwert zu sein glaubte. Mit der 
Einführung der konstitutionellen Staatsform änderten sich diese Ver- 
eines speziellen Rechtstitels behauptete; 2. wenn durch die Verfügun 
ein Eingriff in die Privatrechte stattgefunden hatte, für welchen nac 
den gesetzlichen Vorschriften Entschädigung gezahlt werden mußte, über 
die Notwendigkeit und den Betrag dieser Entschädigung; 3. wenn 
Privatpersonen untereinander stritten, wem von ihnen eine Ver- 
pflichtung obliege. Das G. betr. die Erweiterung des Rechtsweges, vom 24. Mai 
1861, hat abgesehen von den oben erwähnten Fällen den Rechtsweg noch zu- 
elassen: 1. Binsiehtlich vermögensrechtlicherAnsprüche der Staats- 
eamten aus ihrem Dienstverhältnis, namentlich der Ansprüche auf Besoldung, 
Pension und Wartegeld; 2. hinsichtlich öffentlicher Abgaben in folgenden 
Fällen: a) bei Rückforderung des Gezahlten auf Grund der Behauptung, daß 
die einzelne Forderung getilgt oder bezahlt sei; b) bei der Behauptung, daß die 
Abgabe keine öffentliche sei, sondern auf einem privatrechtlichen Titel beruhe; 
c) bei Stempelabgaben, wenn der Betreffende zur Zahlung überhaupt nicht oder 
nicht in dem verlangten Betrage verpflichtet zu sein glaubt; d) bei Kirchen- 
und Schulabgaben, wenn dieselben auf einer notorischen Orts- und Bezirks- 
verfassung beruhen, so wie hinsichtlich der Schul- und Pensionsgelder. Diese 
Gesetzgebung ist durch V. vom 16. September 1867 auf die neuen Provinzen, 
durch & vom 25. Februar 1878 $ 3 auf Lauenburg ausgedehnt worden. — Auch 
in Sachsen ist die Beschreitung des Rechtaweges bei Streitigkeiten über 
öffentliche Rechte und Pflichten dann zulässig, wenn jemand sich auf ein be- 
sonderes Gesetz oder einen speziellen Rechtstitel beruft (G. über die Kompetenz- 
verhältnisse zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden vom 28. Januar 1835 
$$ 7 und 10). 
° In Hessen war, nachdem das Land ein umfassendes privilegium de non 
appellando erhalten hatte, am 15. Februar 1746 ein Oberappellationsgericht zu 
assel errichtet worden und diesem an Stelle der Reichsgerichte auch die Ent- 
scheidung der Rekurse wegen mißbräuchlicher Ausübung der Hoheitsrechte 
übertragen worden. Dadurch bildete sich eine umfassende Kontrolle des obersten 
Gerichtshofes über die Verwaltung aus, welche in den Formen einer Extra- 
judizialappellation geltend gemacht wurde. An die Stelle der letzteren trat 
seit dem Jahre 1817 die selbständige Beschreitung des Rechtsweges in Form 
der Klage. Diese Praxis erhielt durch die Bestimmungen des Organisationsediktes 
vom 29. Juni 1821 $ 60, der Verf.Urk. vom 5. Januar 1831 $S 35, 113, 123 und 
des Gezetzes vom 11. Juli 1832 über den Geschäftskreis der Staatsanwälte, ihre 
gesetzliche Bestätigung und Fortbildung. Vgl. Bäbr a.a.0. S.135; E. Meier 
a... 0. 8. 285. 
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.