Großbrittannien. 289
besseren und erfolgreicheren Verwaltung Irlands“ ein und begründet
denselben:
Lord Russel geht von der Ansicht aus, daß Irland noch immer gerechte
Beschwerden gegen England habe; nur sieht er diese zum großen Theil auf
der Seite, welche dem irischen Nationalkatholicismus geradezu entgegensteht.
Es sind die Protestanten und die gemäßigten Katholiken, welche daselbst von
einer außerhalb der brittischen Reichsregierung befindlichen Macht unterdrückt
werden und deren Beschwerden nur gehoben werden können, wenn Irland
unmittelbarer mit dem brittischen Reiche vereinigt wird, als es bisher der
Fall war. Um dieß zu bewirken, verlangt er 1) die Abschaffung des zum
Kinderspott gewordenen Vicekönigthums, dessen sinnloser Pomp nur dazu
diene, um die Macht der directen Reichsregierung zu brechen; 2) die Ein-
theilung Irlands in 4 Provinzen, welche Provincialstände erhalten sollen,
wie Hannover, Hessen, Nassau sich einer gewissen provinzialen Unabhängigkeit
innerhalb des preußischen Königreichs erfreuen, damit dem von Rom aus-
gehenden Geschrei nach Home-rule ein erwünschtes Ende gemacht werde; 3)
die directe Unterordnung des irischen Schulwesens unter die Reichsregierung
und somit die Abschaffung der irischen Schulcommission, die allerdings in
dem O Keeffe'schen Fall ihre Probe sehr schlecht bestanden hat, und 4) die
legislative Bestimmung, daß nicht das Princip der Stimmeneinheit, sondern
das der Stimmenmehrheit für die irischen Geschwornengerichte entscheidend
sei, damit die bei den Gerichtsverhandlungen über die agrarischen Mordthaten
und über die angemaßten Privilegien des ultramontanen Clerus nur zu häufig
vorkommenden * beseitigt werden, daß eine kleine Minderheit von sehr natio-
nalen oder sehr frommen Geschwornen die gerichtliche Verfolgung agrarischer und
clericaler Verbrecher unmöglich mache. Lord Russel behauptet nun zwar
nicht, daß die Durchführung dieser vier Maßregeln Irland mit einemmale
glücklich und zufrieden machen werde; aber ex behauptet, daß es das höchste
sei, was geschehen könne, und das mindeste, was geschehen müsse. Denn,
sagt er, „die Fluthgräben sind durchbrochen und die Gewässer sind ausge-
treten. Allenthalben wüthet ein großer Kampf zwischen dem Papst und den
Nationen, deren gerechte Freiheiten und Rechte bedroht sind, und kein Land
ist mehr vorbereitet, durch diesen Kampf zerrüttet zu werden, als Irland.
Die Frage kommt unaufhaltsam heran: ob die Iren von Pius IX. als
König und von Cardinal Cullen als seinem Vicekönig, oder von der Königin
Victoria und dem Grafen Spencer (gegenwärtigem Vicekönig von Irland)
regiert werden sollen." Lord Russel stimnt für die Königin Victoria, und
er zieht sogar den Grafen Spencer, den er abschaffen will, dem Cardinal
Cullen, den er nicht abschaffen, aber politisch beschränken will, bedeutend vor.
12. Juni. Unterhaus: Der Unterrichtsminister Forster bringt eine Bill ein,
18.
welche das englische Schulgesetz in liberalem Sinne reformiren soll.
Die liberalen Fractionen sind von derselben jedoch sehr wenig befrie-
digt, da die Vorschläge der Bill mehr auf kleinliche Compromisse
hinausliefen, statt dem confessionellen Einfluß auf das Schulwesen mit
fester Hand ein Ende zu machen.
„ Unterhaus: verwirft mit 205 gegen 91 Stimmen einen Antrag
Faweett's, die allgemeinen und nothwendigen Wahlkosten bei Parla-
mentswahlen den Candidaten abzunehmen und den Wahlkreisen selbst
zu überbürden, um die Freiheit der Wahlen besser zu sichern.
„ Der Schah besucht auf seiner Tour in Europa auch England.
Große Flottenrevue bei Spithead, um ihm einen angemessenen Begriff
von Englands Macht und Größe beizubringen.
19