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Trankreich.
Guibert, gründlich zum Austrag zu bringen. Es entspann sich deßhalb eine
lebhafte Correspondenz zwischen den Ministern des Cultus und des Aeußern,
dem französischen Botschafter beim heiligen Stuhle und dem Cardinal An-
tonelli. Unter dem 19. Juli 1872 wurden sämmtliche Bischöfe mittels Cir-
cular aufgefordert, dem Cultusministerium beglaubigte Auszüge ihrer Bullen
mitzutheilen, gleichzeitig wurden in den Archiven Nachforschungen angestellt
und das Gutachten des neuen Staatsraths über die Frage eingeholt. Ange-
sichts der maßvollen Festigkeit der franz. Diplomatie gab die römische Curie
Erklärungen und erkannte endlich das vollständige und unbedingte Recht der
Regierung an. Demgemäß ordnete der Staatsrath, nachdem er nochmals
bekräftigt hatte, daß die Ernennung der Bischöfe ausschließlich der Staats-
gewalt zustehe, und nachdem er von den feier icen Erklärungen des heiligen
Stuhles Act genommen, die Eintragung der seiner Prüfung unterzogenen
Bullen in seine Register an. In der Bulle des neuen Bischofz von Autun
findet man allerdings noch die Formel: nobis nominavit; aber dieser Aus-
druck kann nicht mehr einen Widerspruch gegen die Prärogative der Regie-
rung bedeuten, da das Recht der letzteren in dem Texte der Bulle selbst aus-
drücklich erwähnt ist. Demgemäß war der Staatsrath, mit dem Bemerken
freilich, daß die alte Formel: nominavit dem Concordate genauer entspräche,
einstimmig der Meinung, daß der in Rede stehende diplomatische Zwischenfall
als aufgeklärt und definitiv geschlossen angesehen werden könne.
30. Jan. Nat.-Versammlung: Der 30er Ausschuß hat seinen Entwurf für
die sog. constitutionellen Gesetze zu Ende berathen. Ein Ausgleich
zwischen ihm und dem Präsidenten der Republik erscheint sehr schwierig,
da es diesem voraus um die Aufstellung einer zweiten Kammer mit
den Consequenzen einer solchen Organisation, jener aber lediglich um
die Beschränkung des persönlichen Einflusses des Hrn. Thiers in der
Nationalversammlung zu thun ist, während sie jede wirkliche Organi-
sation der bestehenden Republik vielmehr auf die lange Bank zu schie-
ben sucht.
„ Bereits 63 Bischöfe haben sich der Adresse des Bischofs von Ver-
sailles an den Präsidenten der Republik für energisches Eintreten Frank-
reichs gegen die von Italien beabsichtigte Aufhebung sämmtlicher Klöster
in Rom angeschlossen. Hr. Barthelemy St. Hilaire antwortet ihnen
im Nameu des Hrn. Thiers vorerst beschwichtigend und hinhaltend.
3. Febr. Nat.-Versammlung: Die Rechte stellt den Antrag, der Stadt
Lyon, deren Gemeinderath entschieden republikanisch gesinnt ist und
namentlich im Schulwesen den clericalen Forderungen fest widerstrebt,
eine der Pariser analoge Municipalverfassung zu geben und setzt es
durch, daß derselbe für dringend erklärt wird.
„ Unterzeichnung des neuen Handelsvertrags mit Belgien. Die
Grundlagen sind dieselben, wie die des Handelsvertrags mit England.
„ Nat.-Versammlung: 30er Commission: Hr. Thiers unterhandelt
mit ihr über den von ihr ausgearbeiteten Entwurf, ohne sich mit ihr
in Wahrheit verständigen zu können, obgleich er ihr möglichst entgegen
kommt. Die Absicht der Commission geht ausschließlich dahin, den
directen Einfluß des Präsidenten auf die Nat.-Versammlung möglichst