Trankreich. 313
die Anschauungen dieser Seite des Hauses (auf die Rechte weisend) sind nicht
ganz diejenigen des Landes. (Heiterkeit und Bravo! links; Unruhe rechts.)
Das Wort Republik mag viele von Ihnen erschrecken, jedoch mit Unrecht.
Der wahre Republikaner ist es mit Maß und Selbstbeherrschung, und man
hat jetzt allen Grund zu der Annahme, daß die Republik recht gut die natür-
liche Regierungsform Frankreichs werden kann. Wenn nicht die höheren
Classen, so sind jedenfalls die Massen republikanisch (Bravo! auf der äußer-
sten Linken); aber die Zukunft der Republik hängt nur davon ab, daß sie
das Land nicht erschrecke, sondern im Gegentheil beruhige. Die Unfähigen
würden durch Gewaltthätigkeit die Republik nur verderben; darum müssen
Männer der Ordnung am Staatsruder stehen; eine Regierung ist nothwendig,
die unerbittlich für die Ruhestörung ist, eine Parteiregierung würde nur
selber die öffentliche Ruhe in Gefahr bringen. Freilich wäre es leichter für
uns, einer Partei zu gehorchen, statt allen die Wage zu halten. Das ist
bei mir keineswegs politischer Sceptizismus, sondern nur die unparteiische
Würdigung der Lage. Der Redner blickt noch einmal auf seine Leistungen
während der letzten zwei Jahre zurück. Ich fürchte nicht, sagt er, das Ur-
theil der Geschichte. Wir haben der Commune die Spitze geboten. Als man
mir damals vorstellte, daß ich mich doch vor Blutvergießen scheuen sollte,
entgegnete ich: „Gleichviel und wenn das Blut in Strömen fließen soll, die
Armee muß in Paris eindringen." Und sie ist in Paris eingedrungen, und
wir haben diesen großen Aufstand bewältigt, und die Ordnung hat trium-
x17 Darauf führten wir zwei Anleihen durch, welche in der Geschichte
ohne Beispiel sind, und sicherten die definitive Befreiung des Landes. Wäh-
rend ganz Europa unter einer Geldkrisis leidet, setzen wir die Welt uuch
die Pünktlichkeit unserer Zahlungen in Erstaunen. Vier Milliarden sin
abgetragen, auf die fünfte erfolgt die erste Zahlung schon in acht Tagen,
und alle weiteren Zahlungen sind gesichert. Indem Frankreich eine solche
Lebenskraft zeigte, gewann es sein Ansehen wieder. In ganz Europa glaubt
man an Frankreich und achtet seine Regierung. Wenn wir unsere Armee
wiederherstellen, woraus ich kein Hehl mache, so nimmt das Niemand Wunder;
wir rüsten, weil wir in dem europäischen Concert den uns gebührenden Rang
einnehmen wollen, nicht aber weil wir auf Krieg sinnen. Europa schenkt
unseren Worten Glauben. Nach innen halten wir die materielle Ordnung
ihrem ganzen Umfange nach aufrecht. Unser Credit ist solid; die Börse
unterliegt nur untergeordneten Variationen und bleibt von jeder Panik ver-
schont. Das alles würden Sie mit Ihrer Parteipolitik, mit Ihrer „kämpfen-
den Regierung" nicht ausrichten. Ja, aber die moralische Regierung, sagt
man. Gewiß ist diese schwerer herzustellen; aber wer nur immer von ihr
spricht, der stört sie gerade am meisten. (Sehr gutl links.) Der Grund der
moralischen Unruhe liegt in der ungeheuren und obenein in ihrer Bedeutung
noch übertriebenen Frage der Regierungsform. Sie sagen uns: Sie seien
nicht Monarchisten, sondern nur Conservative. Nun, auch wir sind Con-
servative und es muß mich wundern, wenn Leute, die viel jünger sind als
ich und noch gar nichts geleistet haben, mir gegenüber mit diesem Worte
Staat machen. Sie sagten uns gestern: man schenke uns keinen Glauben,
wenn wir uns Conservative nennten; lassen Sie mich jetzt Ihnen sagen, daß,
wenn Sie erklären, Sie seien keine Monarchisten, Ihnen Niemand glaubt;
nein, man glaubt es Ihnen nicht. (Bravo links und auf den Tribünen.
Eine Stimme: Der Seinepräfect hat Beifall geklatscht; hinaus mit ihm!
Seinepräfect Calmon verbirgt sich auf einer Tribüne. Herzog v. Audiffret-
Pasquier: Man lasse die Tribünen räumen. Präsident Buffet ermahnt
alle Theile zur Ruhe. Hr. Thiers fährt fort:) Ich habe keine meiner frühe-
ren Ansichten verläugnet und kann beweisen, daß ich conservativer bin, als
alle, die mich hier unterbrechen. Wenn ich mich des Beistandes der Linken
erfreue, so geschieht dieß, weil ich meinem Worte treu geblieben bin. Ein