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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
des Landtags unter dem Vorsitze des Seehandlungsdirectors Günther bestehen
solle. „Die Ermittlung der Thatsachen — versichert die Botschaft — soll
mit größter Sorgfalt geschehen, die Beurtheilung der Verhältnisse und Per-
sonen ernst und unparteiisch sein und der König behält sich vor, von dem
Commissionsberichte s. Z. der Landesvertretung Mittheilung zu machen.“
15. Febr. (Preußen.) Abg.-Haus: stimmt der kgl. Botschaft vom 14.
zu: Lasker zieht seinen Antrag zurück.
Lasker ist mit seinem Angriff wider die hochstehenden „Gründer“ und
wider die Unfähigkeit des gegenwärtigen Handelsministeriums vollkommen
durchgedrungen. Von vornherein steht fest, daß er eines der beiden in die
Untersuchungscommission zu wählenden Mitglieder des Abg.-Hauses sein
wird und er gibt die Gewähr und Zusicherung, daß die Untersuchung eine
gründliche und unparteiische sein und daß das Resultat der öffentlichen Mei-
nung nicht werde vorenthalten werden.
„ (Baden.) Die Regierung verfügt, den Altkatholiken in Constanz
die Mitbenützung der dortigen Spitalkirche einzuräumen:
„.. Durch Verfügung vom 16. September 1870 ist bereits ausge-
sprochen, daß die in dem „Anzeigeblatt" der Erzdiöcese Freiburg vom
14. September 1870 Nr. 18 verkündigten dogmatischen Constitutionen, dar-
unter die über die Unfehlbarkeit des Papstes, nach § 15 des Gesetzes vom
9. October 1860, „die rechtliche Stellung der Kirche und kirchlichen Vereine
im Staate betr.,“ im Großherzogthum keine rechtliche Geltung in Anspruch
nehmen können, da sie ohne Genehmigung des Staates verkündigt wurden.
Hieraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß die Petenten in Folge
ihrer Erklärung: der katholischen Kirche auch fortan angehören zu wollen,
ungeachtet der Nichtannahme des Dogma's der Unfehlbarkeit, rechtlich als
Katholiken anzuerkennen sind und die mit dieser Eigenschaft verbundenen
Rechte in der Kirche nicht verloren haben. Auch thatsächlich erscheint das
Gesuch der Petenten begründet, da constatirt ist, daß nahezu die Hälfte aller
großjährigen männlichen katholischen Einwohner von Constanz das in Frage
stehende (rechtlich nicht relevante) Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes als
ein katholisches nicht anerkennen, während sie im Uebrigen erklären, Katho-
liken zu sein und zu bleiben. Das großh. Bezirksamt wird demnach, um
auch diesen Katholiken die Befriedigung ihrer gottesdienstlichen Bedürfnisse
zu ermöglichen, beauftragt, dafür zu sorgen, daß einstweilen denselben der
Mitgebrauch der Spitalkirche zu ihrem Gottesdienst eingeräumt werde. Zu
diesem Zweck ist zunächst der Gemeinderath der Stadt Constanz, welcher den
Spitalfonds nebst der zu demselben gehörigen Spitalkirche zu verwalten hat
und welcher nach der Anführung der Petenten bereit ist, die Spitalkirche
denselben und ihren Genossen zum Mitgebrauch für ihren Gottesdienst zu
überlassen, zu einer entsprechenden Erklärung zu veranlassen. Hierauf sind
unter Eröffnung gegenwärtiger Verfügung der an der Spitalkirche fungirende
Pfarrer als Vertreter derjenigen Katholiken, welche das Unfehlbarkeits-Dogma
nicht ablehnen, und ebenso die Petenten aufzufordern, Vorschläge über die
Zeiten zu machen, zu welchen jeder Theil die Kirche zum Gottesdienst zu
benützen habe. Ist eine Einigung zwischen beiden Theilen nicht zu erzielen,
oder sollte der an der Spitalkirche fungirende Pfarrer in einer angemessenen
kurzen Frist keine Erklärung abgeben, so hat das Bezirksamt, unter Berück-
sichtigung aller Verhältnisse und unter thunlicher Schonung der bestehenden
Einrichtungen, die Zeiten zu bestimmen, zu welchen jeder von beiden Theilen
die Kirche zum Gottesdienst benützen kann. Ueber den Verlauf der Sache
und besondere sich etwa ergebende Anstände ist mit thunlicher Beschleunigung
zu berichten."
Der Gemeinderath gibt einstimmig seine Zustimmung zur Mitbe-