Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dritter Jahrgang. 1887. (28)

Bie Gesterreichisch Angarische Monarchie. (Dezember 8.—Ende.) 267 
und ohne jede andere Rücksicht und ohne Zeitverlust nur von den gemein- 
samen und untrennbaren militärisch-strategischen Exigentien diktiert wird. 
8.—Ende Dezember. (Kriegsrat.) Unter Vorsitz des Kaisers 
und im Beisein des Erzherzogs Albrecht, Kalnokys und mehrerer 
Korpskommandanten wird ein Kriegsrat abgehalten, welcher nach 
mehrstündiger Sitzung, wie verlautet, beschließt, vorläufig keine un- 
mittelbaren Maßregeln zu ergreifen, da russischerseits in den letzten 
Tagen ebenfalls neue Maßregeln nicht ergriffen worden seien und 
der bisherige Stand für eine etwa nötige Verteidigung nichts Be- 
drohliches enthalte. Gleichzeitig seien aber bis ins Einzelne alle 
Schritte festgestellt worden, welche sofort zur Anwendung gelangen 
sollen, falls Rußland neue Truppenvorschiebungen vornehmen würde. 
Von einer Einberufung der Delegationen sei zunächst Abstand ge- 
nommen worden. 
Am 13. findet ein neuer Kriegsrat unter Vorsitz des Kaisers 
statt; am 15. werden der ungarische Ministerpräsident Tisza aus 
Pest und Finanzminister Dunajewski aus Lemberg berufen; am 
18. finden Besprechungen des Kaisers mit Tisza, den drei Kriegs- 
ministern und dem Landeskommandierenden von Ungarn, Grafen 
Pejacsevich, ferner unter Vorsitz Kalnokys eine Sitzung der gemein- 
samen Minister statt. Am 19. wird ein großer Kronrat abge- 
halten. 
Ueber die in demselben gefaßten Beschlüsse verlautet, daß eine be- 
stimmte Summe — anfänglich wurde in den Zeitungen berichtet, es seien 
11—20 Millionen zu Rüstungszwecken gefordert worden — noch nicht fest- 
gestellt, sondern nur im allgemeinen die Kosten für vorbereitende Siche- 
rungsmaßnahmen in Galizien erwogen worden; Truppensendungen an die 
Grenze wurden vorläufig nicht beschlossen. 
Auch am 26. wird eine militärische Konferenz in der Hof- 
burg abgehalten, an welcher der Kaiser, Erzherzog Albrecht, der 
Kriegsminister Graf Bylandt-Rheydt und der Generalstabschef Feld- 
marschall-Lieutenant v. Beck teilnehmen. 
Die Auffassung der Lage in der Oeffentlichkeit ist sehr ernst, 
die vorherrschende Meinung ist, daß der Krieg unvermeidlich sei; 
auch Blätter, wie die „Neue Freie Presse“, welche anfangs mit Ent- 
schiedenheit die Bedrohlichkeit der Lage in Abrede gestellt hatten, 
nehmen einen kriegerischen Ton an. Das genannte Blatt schreibt 
am 7. Dezember: 
Wir fragen nicht mehr, wir stehen vor der Thatsache daß russische 
Regierungsorgane das Erscheinen neuer Divisionen an der Peripherie Oe- 
sterreichs ankündigen. Rußlands Ehrgeiz ist eine Geißel für die ganze Mensch-
	        
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