Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

172 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 15.—17.) 
v. Woodcock-Savage, hat, wie wir aus zuverlässiger Quelle vernehmen, aus 
eigener Entschließung sich mit seinem Begleiter aus der Umgebung Seiner 
Majestät zurückgezogen. Seine Majestät der König, allerhöchstwelcher sich 
ihm insbesondere aus der Zeit seiner Erkrankung im Herbst 1884 zum Danke 
verpflichtet fühlt, wird ihm ein gnädiges Andenken bewahren. Zugleich wollen 
Se. Majestät ausgesprochen wissen, daß der genannte Herr sich niemals an 
den spiritistischen Experimenten beteiligt habe. Die Minister haben, da sie 
sich über die schädliche Einflußnahme dritter Personen auf den Gang der 
Regierungsgeschäfte nicht zu beklagen hatten, ihre Entlassung um die Ent- 
fernung irgendwelcher Personen aus der Umgebung des Staatsoberhauptes 
herbeizuführen, weder eingereicht noch in Aussicht gestellt. Sie haben am 
24. und 25. Oktober ein Schreiben an Seine Majestät den König gerichtet, 
in welchem mitgeteilt wird, daß die Beschlagnahme der „Münchener Neuesten 
Nachrichten“ wegen des Artikels über das Königshaus eingeleitet sei, und 
die Eröffnung der höchsten Willensmeinung darüber erbeten wird, ob das 
Verfahren gegen zwei Verbreiter des Blattes seinen Fortgang nehmen oder 
niedergeschlagen werden solle. Hinsichtlich des Vorgehens gegen die „Mün- 
chener Neuesten Nachrichten“ wegen Vergehens gegen § 99 des Strafgesetzes 
war ein besonderer Antrag vorbehalten. Das Protokoll über die Sitzung 
des Ministeriums, welches dem Könige vorgelegt wurde, enthalte am Schluß  
folgende Stelle: „Weiterhin ergab sich auch ein Einverständnis aller An- 
wesenden darüber, daß die Vorgänge vielfach Aufsehen erregt haben und die 
Besorgnis nahe liege, es könnte hieraus eine Beunruhigung selbst in weiten 
Kreisen des Landes entstehen. Man erachte es daher als eine Gewissens- 
pflicht, den König hiervon ehrfurchtsvoll in Kenntuis zu setzen. In der 
königlichen Antwort vom 29. Oktober wird dem Staatsministerium für die 
Kundgebungen und guten Absichten treuer Gesinnungen der gnädigste Dank 
des Königs ausgesprochen. Am 31. Oktober erhielt der Ministerpräsident 
v. Mittnacht, welcher damals gerade nach Berlin und Hamburg verreist war, 
ein Telegramm Sr. Majestät des Königs, welcher seine Anwesenheit in Nizza 
wünschte. Vor der Abreise des Ministerpräsidenten wurde vom Staats- 
ministerium festgestellt, daß ein Anlaß, die bisherige Haltung des Mini- 
steriums zu ändern, nicht vorliege. Der Ministerpräsident traf die mehrfach 
genannten Herren nicht mehr in Nizza an; es ging vielmehr während seines 
Aufenthaltes in Nizza die Nachricht ein, daß sie entschlossen seien, sich aus 
der Umgebung des Königs zurückzuziehen. Ferner haben Se. Majestät be- 
fohlen, daß von dem strafrechtlichen Vorgehen Abstand genommen werde, in 
der Erwartung, daß nach der vorstehenden Darlegung der Sachlage eine 
ruhige und unbefangene Beurteilung seitens der Gutgesinnten Platz greifen 
werde." 
15. November. Der Herzog Maximilian in Bayern, Vater 
der Kaiserin von Österreich, + in München. 
15.—17. November. (Kaiser Wilhelm in Schlesien.) 
Bei Gelegenheit der Hofjagden in Schlesien weilt Kaiser Wilhelm 
in Breslau, wo ihm von den königstreuen Arbeitern — der Zug 
bestand aus 12.000 Fackelträgern, denen sich beinahe ebenso viele 
andere Arbeiter angeschlossen — ein Fackelzug dargebracht wurde. 
Am Tage darauf empfing der Kaiser eine Deputation der Arbeiter 
und beantwortete die Ansprache mit Dank für die Huldigung durch den 
glänzenden Fackelzug und für die Gefühle der Treue für Ihn und das König- 
liche Haus, welchen die Deputation soeben Ausdruck gegeben habe. Er sei
	        
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