242 Die Öserreichisch-Ungarische Monarchie. (März 29.— April 2.)
29. März. (Österreich: Schulfrage.) Der Delegirten-
tag des deutsch-österreichischen Lehrerbundes, welcher mehr als 10.000
Lehrer umfaßt, zu Wien behandelt die Schulgesetzanträge Liechten-
stein, Herold und Limbacher.
Die Beschlüsse gipfeln in einer einstimmig angenommenen Resolution
gegen den Liechtensteinschen Antrag, in welcher als schädliche Folgen desselben
bezeichnet werden: 1. der Lichtensteinsche Schulantrag setzt durch die in Aus-
sicht gestellte Verminderung des Lehrstoffes, durch die Verkürzung der Unter-
richtsdauer und durch die begehrte Verlängerung des Schulwesens das Maß
der einheitlichen und allgemeinen Volksbildung zum Schaden des gesamten
Staatswesens herab; 2. er sucht durch die verlangte Mitaufsicht der Kirche
die Schule einseitig konfessionellen Zwecken dienstbar zu machen, dieselbe zu
einem Anhängsel der Religions-Genossenschaften zu gestalten, sohin sie der
selbständigen Stellung im Staate zu entkleiden; 3. er fördert die Privat-
schulen zum Nachteile der öffentlichen und leistet der Gründung von Kloster-
schulen Vorschub; 4. er stellt sogar den Schulzwang in Frage und bringt
sohin die Schulverwaltung in die heilloseste Verwirrung; 5. er strebt den
Niedergang der Lehrerbildung an, beraubt die Lehrer ihrer Unabhängigkeit,
erschwert ihre Berufsarbeit, ohne gleichzeitig der Schule zu nützen, schädigt
selbst die materielle Stellung der Lehrer und macht diese endlich des zu einer
gedeihlichen Wirksamkeit notwendigen Ansehens in der Gesellschaft verlustig.
Ende März. (Rutenen und Polen.) Die Rutenen lehnen
ab, die galizische Pilgerfahrt nach Rom in Gemeinschaft mit den
Polen zu unternehmen. Eine rutenische Deputation der Pilger
wird beauftragt, der Kongregation für den orientalischen Ritus eine
Denkschrift über die Jesuitentätigkeit in den rutenischen Basilianer-
klöstern zu überreichen.
Ende März. (Anarchistenprozeß.) Der aus Glatz ge-
bürtige Kammachergeselle August Scharff wird vom Ausnahme-
gerichtshofe zu Wien zu 4 Jahren schweren Kerkers wegen Ver-
brechen der Übertretung des Sprengstoffgesetzes verurteilt.
Der Angeklagte hatte 52 Dynamitbomben anfertigen lassen und in
seinem Keller aufbewahrt, um sie zu füllen, wenn der von Paris erwartete
Sprengstoff eingetroffen sein würde. Die Verhaftung erfolgte auf verräterische
Denunziation eines gewissen, gleichfalls wegen anarchistischer Verbrechen im
Gefängnis befindlichen Steidl.
Anf. April. (Österreich: Religionswechsel.) Im Orte
Rarancze (neben Sadagora) erfolgt ein Massenübertritt ruteni-
scher Bauern vom griechisch-orthodoxen zum griechisch-katholischen
(unierten) Glauben. Derselbe stellt sich heraus als Produkt der
Rumänisierungs-Tendenzen, welche von den autochthonen Macht-
habern im Lande seit etwa anderthalb Dezennien den Rutenen
gegenüber systematisch betrieben werden.
2. April. (Österreich: Bischof Stroßmayer Ehren-
bürger von Prag.) Bischof Stroßmayer beantwortet den Em-