Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 11.— 12.) 57 
§ 2. Bis zum Erlasse des Wahlgesetzes werden die Bestimmungen 
der Artikel 71 und 115 der Verfassungsurkunde, soweit sie den vorstehenden 
Bestimmungen entgegenstehen, außer Kraft gesetzt. 
§ 3. Dieses Gesetz tritt nur gleichzeitig mit dem Einkommensteuer- 
Gesetz in Kraft. 
11. März. Der Unterstaatssekretär im Kultusministerium 
Dr. Barkhausen wird zum Präsidenten des Evangelischen 
Ober-Kirchenrates ernannt. 
12. März. Der Prinzregent Luitpold von Bayern 
feiert unter allgemeiner freudiger Teilnahme des Landes seinen 
70. Geburtstag. 
Der Kaiser sendet ihm folgendes Telegramm: 
„Unter den Beweisen der Verehrung und Liebe des gesamten Baye-- 
rischen Volkes feierst Du heute den 70. Geburtstag. Empfange zu diesem 
seltenen Feste Meine aus vollem Herzen kommenden Glückwünsche und laß 
Mich dahei aussprechen, wie froh und dankbar Ich es anerkenne, daß mit 
Deiner treuen Mitwirkung die Bande, welche Uns und Unsere Häuser und 
Regierungen verknüpfen, zum Heile des gemeinsamen Vaterlandes sich nur 
immer fester und inniger gestaltet haben. Möge die Liebe Deines Volkes 
und die Anerkennung der deutschen Bundesfürsten Dir auch im kommenden 
Leben eine feste Stütze in Deinen schwierigen Regentenpflichten sein! Die 
Kaiserin schließt sich Meinen Glück= und Segenswünschen von ganzem geren an. 
Wilhelm.“ 
Der Prinzregent antwortet: 
„Tiefgerührt durch Deine so herzlichen und treuen Glück= und Segens- 
wünsche zu Meinem Jubelfeste, drängt es Mich, Dir Meinen innigsten Dank 
auszusprechen. Mit besonderer Freude erfüllt Mich Deine so warme An- 
erkennung der festen Bande, welche Uns, Unserer Häuser und Regierungen 
verbinden. Der Kaiserin küsse Ich dankend die Hände. Luitpold." 
Die Adresse des Ministeriums und die Dankschreiben an den 
Erzbischof und den Oberkonfistorial-Präsidenten s. i. „Staatsarchiv“ 
Bd. 52. 
Das Dankschreiben des Prinzregenten an das Ministerium 
lautet: 
„Als Mir die Vorsehung die schwere Pflicht auferlegte, die Zügel 
der Regierung zu ergreifen, habe Ich in feierlicher Stunde als Meinen 
sehnlichsten Wunsch bezeichnet, daß es Mir vergönnt sein möge, für das 
Wohl des treuen und von Mir so treugeliebten Landes wirken zu können. 
Ich danke Gott heute vor allem, wenn Ich in den seitdem verflossenen 
Jahren vielfach Gelegenheit fand, die allgemeine Wohlfahrt sorgend zu 
pflegen und manche Thräne des Unglücks zu trocknen. 
Was Bayerns Herrscherhaus immer als den herrlichsten Schmuck der 
Krone schätzte, die Gegenliebe des Volkes, ist im stets steigenden Maße auch 
Mir zur reichsten Quelle der Freude und des Glückes geworden. 
Insbesondere habe Ich es in diesen Tagen wieder mit lebhaftester 
Befriedigung und gerechtem Stolze empfunden, daß Bayerns Königshaus 
und Volk sich untrennbar eins wissen und fühlen. 
Unvergeßlich wird Mir das Andenken an die zahllosen Beweise der 
Anhänglichkeit und Ergebenheit sein, die Mir aus ganz Bayern und von den
	        
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