Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 10.—11.) 3
Der in dem Pachtgebiet wohnenden chinesischen Bevölkerung soll,
vorausgesetzt, daß sie sich den Gesetzen und der Ordnung entsprechend ver-
hält, jederzeit der Schutz der deutschen Regierung zu teil werden; sie kann,
soweit nicht ihr Land für andere Zwecke in Anspruch genommen wird,
dort verbleiben.
Wenn Grundstücke chinesischer Besitzer zu irgend welchen Zwecken
in Anspruch genommen werden, so sollen die Besitzer dafür entschädigt
werden.
Was die Wiedereinrichtung von chinesischen Zollstationen betrifft,
die außerhalb des an Deutschland verpachteten Gebiets, aber innerhalb der
vereinbarten Zone von 50 km, früher bestanden haben, so beabsichtigt die
Kaiserlich deutsche Regierung, sich über die allendliche Regelung der Zoll-
grenze und der Zollvereinnahmung in einer alle Interessen Chinas wahren-
den Weise mit der chinesischen Regierung zu verständigen und behält sich
vor, hierüber in weitere Verhandlungen einzutreten.
Die vorstehenden Abmachungen sollen von den Souveränen beider
vertragschließenden Staaten ratifiziert, und die Ratifikations-Urkunden sollen
derart ausgetauscht werden, daß nach Eingang der chinesischerseits ratifi-
zierten Vertragsurkunde in Berlin die deutscherseits ratifizierte Urkunde
dem chinesischen Gesandten in Berlin ausgehändigt werden wird.
Der vorstehende Vertrag ist in vier Ausfertigungen — zwei deutschen
und zwei chinesischen — aufgesetzt und am 6. März 1898 gleich dem 14. Tage
des 2. Mondes im 24. Jahre Kuang-hsü von den Vertretern der beiden
vertragschließenden Staaten unterzeichnet worden.
(Großes Siegel des Tsungli Yamen.)
Der Kaiserlich deutsche Gesandte:
(L. S.) (gez.) Freiherr von Heyking.
(gez.) Li hung chang (chinesisch),
Kaiserlich chinesischer Großsekretär,
Minister des Tsungli Yamen
etc. etc. etc.
(gez.) Weng-tung-ho (chinesisch),
Kaiserlich chinesischer Großsekretär,
Mitglied des Staatsraths,
Minister des Tsungli Yamen
etc. etc. etc.
10. Januar. (Sachsen.) Die Erste Kammer tritt folgen-
dem Beschlusse der Zweiten Kammer bei:
Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, im Bundesrate dahin
zu wirken, daß a) die gemischten Transitläger, soweit sie nicht dem Transit-
verkehr dienen, sondern für den Inlandsverkehr ausgenutzt werden, auf-
gehoben und die Zollkredite für Getreide beseitigt werden, b) die Ausfuhr-
vergütung für Mühlenprodukte dem thatsächlichen Ausbeuteverhältnis
möglichst angepaßt werde.
11. Januar. (Preußen.) Der Ministerpräsident Fürst zu
Hohenlohe-Schillingsfürst eröffnet den Landtag mit folgender
Thronrede:
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Land-
tages! Seine Majestät der Kaiser und König haben mich beauftragt, den
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