112 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 21./22.)
Machtsphäre nützlich und notwendig. Die Lage der neu erworbenen Inseln
ist besonders günstig. Wir hoffen, daß durch unsern neuen Besitz auch
unser alter Besitz gefördert, entwicklungsfähiger und ergiebiger werden wird.
Auf den Karolinen befinden sich seit langem deutsche Handelsniederlassungen;
es sind dort Faktoreien gegründet, Handel und Verkehr liegt noch heute
überwiegend in den Händen der deutschen Jaluit-Gesellschaft, der deutsche
Kaufmann steht nach wie vor in erster Reihe. Wenn diese Länder in eines
anderen Besitz gekommen wären, so würde dadurch nicht nur die politische
Zukunft unseres Südsee-Besitzes gefährdet worden sein, sondern es wären
auch in handelspolitischer und wirtschaftlicher Beziehung Reime vernichtet
worden, die der Entwicklung fähig sind. Es ist nicht meine Art, in poli-
tischen und wirtschaftlichen Fragen an die Phantasie zu appellieren; ich
werde keine Luftschlösser aufführen und keine Schönfärberei treiben. Sowohl
der Vertrag mit China über Kiau-tschon wie der Vertrag mit Spanien
sind Glieder einer Kette; in beiden Fällen sind wir ruhig, nüchtern und
besonnen vorgegangen. Wir sind zu der Annahme berechtigt, daß unser
neuer Besitz auch in wirtschaftlicher Beziehung wertvoll ist. Wenn die
Spanier aus diesen Inseln nichts gemacht haben, so ist das kein Beweis
für ihre wirtschaftliche Wertlosigkeit; ich möchte der spanischen Verwaltung
nicht zu nahe treten, aber ich glaube, daß die jetzige Wertlosigkeit der
Inseln weniger an ihnen selbst, als an der bisherigen Verwaltung liegt.
Insbesondere konnte die Jaluit-Gesellschaft unter spanischer Herrschaft nicht
mit dem Plantagenbau beginnen, was unter deutscher Herrschaft sofort der
Fall sein wird. Deutscher Fleiß und Unternehmungsgeist werden jetzt dort
unter weit günstigeren Bedingungen vorgehen als bisher. Günstigere Kon-
junkturen können einen momentan unergiebigen Besitz in einen wertvollen
verwandeln. Ich kann mich in dieser Beziehung auf die Denkschrift be-
ziehen, namentlich in Bezug auf den Wasserreichtum und die Gewinnung
von Kopra. Weit wichtiger ist, daß die erworbenen Inseln vorzügliche
Häfen zu Ankerplätzen enthalten. Wir haben auf den Marschall-Inseln
keinen einzigen Hafen, der sich für eine sichere Marinestation eignen würde.
Die Marianen können sich mit der Zeit zu einem Stützpunkt entwickeln für
den Schiffahrtsverkehr zwischen Südostasien und Zentralamerika. Die Be-
völkerung unserer neuen Inseln wird uns als eine gutartige und anständige
geschildert. Wir werden in humaner Weise mit diesem bildsamen Menschen-
material umgehen und bei voller Aufrechterhaltung unserer Autorität doch
nicht vergessen, daß wir es mit Menschen zu thun haben, gegen die wir die
Pflichten unseres christlichen Glaubens zu erfüllen haben. Unter der spa-
nischen Herrschaft waren die Inseln in drei von einander unabhängige
Verwaltungsbezirke eingeteilt, wir werden daran bis auf eine kleine Modi-
fikation festhalten. Die drei Bezirke sollen bis auf weiteres dem kaiserlichen
Gouvernement der Schutzgebiete in Neu-Guinea unterstellt werden. Wir
werden uns auf erfahrene Beamte und die eingeborenen Polizeibeamten
beschränken. Alle Beamte ohne Ausnahme sollen nur kommissarisch ange-
stellt werden und dazu besonders praktische und in der Südsee erfahrene
Männer verwendet werden. In konfessioneller Beziehung werden selbst-
verständlich nach dem Grundsatz strengster Parität die Interessen aller
Missionsanstalten gleichmäßig gewahrt werden. Ich komme jetzt zu dem
Punkt, wo in der Regel die Gemütlichkeit aufzuhören pflegt, nämlich zum
Kostenpunkt. Umsonst waren die Inseln nicht zu haben. (Große Heiter-
keit). Es kommt auch unter den besten Freunden nicht vor, daß man sich
ohne weiteres Inseln und Inselgruppen schenkt. Es gab auch bis jetzt
keinen Preiscourant für Südsee-Inseln. Da spielen verschiedene Imponde-
rabilien mit, aber als gewissenhafter Mann kann ich versichern, daß der