Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 18.) 29 
geeignet sind und warnt vor einer weiteren einseitigen Belastung derjenigen 
landwirtschaftlichen Industrien, welche die Grundlage für den Hackfrucht- 
bau und damit für einen rationellen Betrieb der Landwirtschaft bilden. — 
Nachdem den Kapitalkräften des Landes durch ihre machtvolle Verbindung 
in der Form der Aktiengesellschaften und durch eine weitgehende Fürsorge 
der Gesetzgebung die Möglichkeit hoher Rentabilität in Industrie und Handel 
eröffnet worden ist, bezeichnet es der Bund als eine Forderung der Ge- 
rechtigkeit, daß sie einer dementsprechenden Besteuerung in Form einer als 
Stempelabgabe zu erhebenden Dividendensteuer unterworfen und daß auf den- 
jenigen Teil des Nationalvermögens, der in ausländischen Wertpapieren an- 
gelegt wird, eine besondere börsenmäßige Besteuerung zur Anwendung gelangt.“ 
18. Februar. (Reichstag.) In der Budgetkommission gibt 
Staatssekretär Dernburg folgende Erklärung über die Lage der 
Kolonien, besonders über die Arbeiterfrage: 
Meine Herren, ich habe bei der ersten Lesung des Reichshaushalts- 
etats keine Veranlassung nehmen können, mich über die Gestaltung der 
Haushalte der Schutzgebiete zu äußern, und ehe ich daher auf das Schutz- 
gebiet Ostafrika eingehe, werden Sie mir vielleicht einen kurzen Ueberblick 
gestatten über die Gesamtlage, weil wir die Dinge im wesentlichen ja 
auch vom finanztechnischen Standpunkt des Reiches aus als einen Wirt- 
schaftszweig zu untersuchen haben werden. Sie wissen aus dem von dem 
Herrn Vorsitzenden verlesenen Schriftstück, daß eine Anzahl von Eisen- 
bahnvorlagen noch in Vorbereitung sind. Ich verstehe und teile durchaus 
die Bedenken, welche dagegen bestehen, daß vom Bundesrate noch nicht 
verabschiedete Vorlagen hier diskutiert werden, und muß mich darauf be- 
schränken, bei den einzelnen Schutzgebieten anzugeben, wo und in welchem 
Umfange die Kolonialverwaltung eine Eisenbahn für notwendig erachtet. 
Wir können dann über diese Notwendigkeit im allgemeinen ganz ruhig 
diskutieren. Ob die Sachen kommen, wird davon abhängen, ob der Bundes- 
rat sie verabschiedet, und ob sie die kaiserliche Sanktion finden. Das 
Schutzgebiet von Togo, das später noch ausführlich zur Diskussion gestellt 
werden wird, hat diesmal wieder sein Gleichgewicht gehalten. Immerhin 
ist an dem letzten Rechnungsabschluß eine Unterbilanz von 117000 Mark 
vorhanden, welche zeigt, daß wir vielleicht etwas zu scharf vorgegangen 
sind, Togo unter allen Umständen von dem Reichszuschuß freizustellen. 
Diese Unterbilanz wäre allerdings nicht eingetreten, wenn nicht ein tech- 
nischer Fehler in der Eisenbahnvorlage im Jahre 1904 gemacht worden 
wäre. Wir haben nämlich die Tilgung der darin dargeliehenen Summe 
vom Jahre 1904 anfangen lassen, während die letzte Rate für die Eisenbahn 
bis heute noch nicht bezahlt ist. Wenn Togo das nicht hätte zu leisten 
brauchen, nämlich Geld zurückzahlen, das es noch nicht erhalten hatte, 
würden wir auch dort im gleichen stehen. Nun ist die Sache erfreulicher- 
weise so, daß die Eisenbahn einen ganz außerordentlichen Erfolg gehabt 
hat, einen Erfolg, den niemand vorausgesehen hat. Meine Herren, am 
27. Januar 1907 ist die Eisenbahn in Gebrauch genommen worden. Das 
gewährte Darlehen betrug 7800000 Mark. Es müssen dazugerechnet werden 
die Kosten der Landungsbrücke, die auf einen nicht rückzahlbaren Vorschuß 
genommen worden sind. Es ist gelungen, einen längeren Pachtvertrag 
festzustellen, über den noch zu reden sein wird, mit einer Minimalpacht- 
summe von 306500 Mark auf das Jahr, das heißt etwa vier Prozent auf 
die tatsächlichen Kosten. Nach den 306500 Mark, die unter allen Um- 
ständen zu zahlen sind, erhält der Pächter 30000 Mark für sich, und der 
Rest wird mit 90 Prozent für den Fiskus und 10 Prozent für den Pächter
	        
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