Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

500 RNußland. (August 29.—September 14.) 
29. August. Durch eine Abänderung des § 188 der Statuten 
der kaiserlichen Familie wird bestimmt, daß fortan kein Großfürst 
und keine Großfürstin mit einer Person, die keinem regierenden 
oder standesherrlichen Hause angehört, die Ehe eingehen darf. 
29. August. (Moskau.) Der „Deutsche Klub“, der 634 Mit- 
glieder zählt und seit 93 Jahren besteht, wird aufgelöst, weil 
angeblich in seinen Klubräumen Hazard gespielt wird. 
Fälschlich wird in Deutschland diese Maßregel auf den „Moskauer 
Deutschen Verein"“ bezogen. 
3. September. (Petersburg.) Vermählung des Großfürsten 
Johann Konstantinowitsch mil Prinzessin Helene, Tochter des Königs 
von Serbien. 
4. September. (Sarentui in Sibirien.) Ermordung des 
Zuchthausdirektors. 
7. September. Der Kaiser bestätigt den Beschluß des Minister- 
rats, der den Wert der nach dem Portsmouther Vertrag an 
Japan abgetretenen Eisenbahn von Port Arthur nach Kwang- 
Tschong-Tsi mit Betriebsmaterial auf 80903000 Rubel fest- 
gesetzt hat. 
7. September. Hochverratsprozeß. 
Hauptmann Postnikow wird für schuldig befunden, Geheimdokumente, 
die die Sicherheit des Landes betrafen, an Oesterreich-Ungarn, Deutschland 
und Japan verkauft zu haben. Das Urteil lautet auf acht Jahre Zwangs- 
arbeit und Verlust aller Rechte und Privilegien. 
8. September. (Duma.) Staatsschuld und Budget. 
Nach dem Etat wird die Staatsschuld zum 1. Januar 1912 um 
71 Millionen Rubel vermindert und 8942 Millionen Rubel betragen. Im Laufe 
des Jahres 1912 sind in diesem Etat die Gesamtausgaben auf 504 Millionen 
veranschlagt, davon 375½ Millionen Zinszahlungen und 27½ Millionen 
zur Tilgung der Staatsschuld. Anleihen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil 
sind 100 Millionen zur Tilgung von Reichsschatzscheinen in Aussicht ge- 
nommen. Die Einnahmen des Etats der indirekten Steuern und des Brannt- 
weinmonopols sind auf 1061½ Millionen Rubel veranschlagt, d. h. auf 
15⅛½ Millionen mehr gegenüber dem vorigen Jahr. Davon entfallen 
743 Millionen auf das Branntweinmonopol. 
14. September. (Kiew.) Attentat auf Stolypin. 
Anläßlich der Enthüllung des Denkmals Alexanders II. in Gegen- 
wart des Kaiserpaares fand am Abend im Theater eine Festvorstellung 
statt, bei der ein als Geheimagent der Polizei beschäftigter Rechtsanwalts- 
gehilfe, namens Bagrow, den Ministerpräsidenten durch Revolverschüsse, 
schwer verwundet. Das Attentat erfolgte während der Pause nach dem 
zweiten Akt. Als der Zar den Schuß hörte, zeigte er sich sofort in der 
Kaiserloge, worauf das geladene Publikum kniend einen Choral sang. 
Dann verließ er mit seinen Töchtern das Theater, worauf die Vorstellung 
abgebrochen wurde.
	        
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