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Das Deutsche Reich und seine einzelnen
Glieder.
1. Januar. Der Erzbischof von Köln, v. Hartmann, richtet
an den Diözesanpräses der Arbeiter= und Knappenvereine des Erz-
bistums Köln, Dr. Otto Müller in M.-Gladbach, ein Schreiben
über die christlichen Gewerkschaften, worin er erklärt, daß er sich
mit der päpstlichen Enzyklika „Singulari qundam“ nicht in Wider-
soruch gesetzt habe.
Ueber seine Ansprache vom 18. Dezember, die als Anerkennung der
christlichen Gewerkschaften gedeutet worden war, schreibt der Erzbischof:
„Ich glaube, daß alle die Auffassung aus der Versammlung mitgenommen
haben, daß es mir lediglich darum zu tun war, unsere katholischen Arbeiter
vor der drohenden Gefahr sozialer Verführung und des damit fast unver-
meidlich verbundenen Abfalles vom Glauben zu schützen. Darum habe ich,
weil wir in unserer Gegend keine katholischen wirtschaftlichen Arbeiter-
organisationen besitzen, die Präsides angehalten, den Eintritt der katholischen
Arbeiter in die christlichen Gewerkschaften zu fördern. . Die christlichen
Gewerkschaften auf Kosten katholischer Arbeiterorganisationen zu empfehlen,
hat mir gänzlich ferngelegen. Hinsichtlich der Bewertung beider in Theorie
und Praxis bleibt für jeden Katholiken die päpstliche Enzyklika selbstverständ-
lich maßgebend. Das von mir betonte „in necessariis unitas“ — treues
Festhalten an den Vorschriften des Heiligen Stuhles — gilt auch hier.“
4. Januar. Jahresbericht der Essener Handelskammer für
das Jahr 1913.
Es wird zunächst auf den Stillstand in der wirtschaftlichen Tätigkeit
hingewiesen. Die Ursachen dieses Rückschlages gegen das Jahr 1912 werden
neben politischen Momenten hauptsächlich in außerordentlicher Geldverteuerung
gesucht. Der Bericht verlangt weiter eine bessere Würdigung des in den
Parlamenten von den Vertretern der Gewerbetätigkeit in Gutachten und
Petitionen eingereichten Materials, raschere Veröffentlichung der Verhand-
lungen und Beschlüsse der parlamentarischen Kommissionen und eingehende
Information der Abgeordneten bei Sachverständigen. In der Frage des
Arbeitswilligenschutzes und des Streikpostenstehens wird die Behauptung
zurückgewiesen, daß das Koalitionsrecht der Arbeiter durch ein Verbot be-
einträchtigt werden würde. Es handele sich beim Streikpostenstehen gar
nicht um das Koalitionsrecht, sondern um den Mißbrauch eines Rechtes,
das streikende Arbeiter sich genommen hätten, um auf diese Weise ihre
arbeitswilligen Kameraden einzuschüchtern und ihr eigenes Ziel mit größerem
Nachdrucke verfechten zu können. Die Frage der Fortführung unserer be-
währten Zollpolitik wird in dem Sinne behandelt, daß sie eine wirtschaft-
Europäischer Geschichtskalender. LV. 1