166 Greßbritannien. (Febr. 27.
dreimal für das Gleichgewicht der Mächte, und es hat für das Gleichgewicht
der Mächte gekämpft, weil nur durch einen solchen Kampf Europa vör der
Herrschaft einer herrschsüchtigen Nation bewahrt werden konnte. Weil wir
für das Gleichgewicht der Mächte kämpften, haben wir Friedrich den Großen
und den damaligen preuß. Staat vor der Vernichtung bewahrt. Weil wir
für das Gleichgewicht der Mächte kämpften, ermöglichten wir Preußen, die
Unabhängigkeit wieder zu gewinnen, aus der es durch die triumphierenden
Armeen Napoleons verdrängt worden war, und es steht einem deutschen
Staatsmann übel an, wenn er auf die Vergangenheit zurückblickt, England
und seine Bemühungen um das Gleichgewicht der Mächte falsch darzustellen
oder die Dankbarkeit außer acht zu lassen, die Deutschland England für
diese Bemühungen schuldet. Ich gehe weiter und sage: Bis der deutsche
Militarismus der Vergangenheit angehört und bis es ein internationales
Schiedsgericht mit Exekutivgewalt gibt, kann man niemals den Grundsatz
ignorieren, der dem Kampf für das Gleichgewicht der Mächte zugrunde liegt.
Wenn Hertling wirklich das Gleichgewicht der Mächte zu einem veralteten
Ideal der internationalen Staatskunst zu machen wünscht, so muß er seine
Landsleute dahin bringen, jene Politik verbitterter Herrschaft aufzugeben,
die die Welt in diesem Augenblick verwüstet. Das ist der wirkliche Feind
und seine Zerstörung würde uns jetzt und für immer den Frieden bringen.
Ich komme zu dem vierten von Wilson proklamierten Grundsatz, daß näm-
lich bei einem jeden Friedensvertrag die Interessen und die Vorteile der
interessierten Völkerschaften in Betracht gezogen werden müssen. Ich möchte
die Frage untersuchen, wie Graf Hertling dieses Prinzip zur Durchführung
bringen will. Drei Länder sollen nach ihm den Türken zurückgegeben werden,
Armenien, Palästina und Mesopotamien. Glaubt Holt wirklich, daß die
Interessen der Bevölkerung dieser Länder berücksichtigt werden, wenn man
sie den Türken zurückgibt? Graf Hertling beschuldigt uns, wir hätten uns
von rein ehrgeizigen Plänen leiten lassen, als wir Mesopotamien besetzten
und als wir Jerusalem eroberten. Ich nehme an, daß auch Rußland von
rein ehrgeizigen Plänen geleitet wurde, als es Armenien besetzte. Ist aber
die Türkei nicht in den Krieg eingetreten, um aus rein ehrgeizigen Ab-
sichten uns zu bekämpfen? Deutschland hatte ihm den Besitz von Aegypten
versprochen. Um Aegypten zu erhalten, hat sich die Türkei den Zentralmächten
angeschlossen. Inwiefern wäre für das Glück und die Interessen der Bevölkerung
durch eine Eroberung Aegyptens durch die Türken gesorgt? Die Deutschen würden
bei ihrer Suche nach dem größten Glück dieser Bevölkerungen Aegypten
der schlimmsten Herrschaft zurückgeführt haben, die jemals in der Welt be-
kannt war. Sie würden, wenn sie es vermöchten, die Unabhängigkeit der
Araber vernichten, sie würden Palästina wieder unter die Herrschaft derer
bringen, die jeden Ort zu einer Oede machten, dem sie ihre Herrschaft auf-
erlegt haben. Wie kann man eine prokessio fidei über die Interessen der
Bevölkerungen ernsthaft behandeln, wenn man in derselben Rede einen
solchen Beweis für die Art hat, wie Hertling sie ausgeführt sehen möchte?
Ich kann Hertling nicht verlassen, ohne einige Bemerkungen über seine
russische Politik zu machen, die er verteidigt, denn auch sie veranschau-
licht die deutschen Methoden oder das Maß von Bedeutung, das wir der
Uebereinstimmung von Hertlings Worten mit Wilson beizumessen haben.
Er erzählt uns, daß der kürzliche Einmarsch in Rußland auf die dringenden
Rufe der Bevölkerung zum Schutze gegen die Grausamkeiten und Ver-
wüstungen seitens der Roten Garden und anderer Banden stattgefunden
habe und also im Namen der Menschlichkeit unternommen worden sei.
Dagegen ist die deutsche Politik im Westen lediglich damit beschäftigt, Grau-
samkeiten und Verwüstungen zu begehen und nicht nur den Buchstaben