Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

152 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. 
absolute Gewalt war, beschränkt durch die Schwerfälligkeit der Verwaltung 
und durch den stillen Widerstand der öffentlichen Meinung, der ständischen 
Vorurtheile, des militärisch-bureaukratischen Kastengeistes. In der ver- 
größerten Monarchie hätte selbst ein Friedrich kaum noch die unmittel- 
bare Leitung aller Staatsgeschäfte in der Hand behalten können. Die 
persönliche Regierung wurde zur Unmöglichkeit, doch ihre Formen blieben 
aufrecht mit verändertem Sinne. Die Cabinetsräthe waren unter Fried- 
rich nur willenlose Secretäre gewesen, verpflichtet die Befehle des Königs 
den Behörden zu übermitteln; unter seinen beiden Nachfolgern erlangten 
sie eine gefährliche Macht. Aus Schreibern wurden Rathgeber, da der 
Fürst die Unmasse der Berichte nicht mehr übersehen konnte. Man 
wählte die Räthe des Cabinets meist aus den Reihen der bürgerlichen 
Richter; sie allein hielten dem Monarchen regelmäßigen Vortrag und 
fühlten sich bald als Volkstribunen, als Vertreter des friedlichen Bürger- 
thums gegenüber dem Adel und dem Heere. Ein unberechenbarer sub- 
alterner Einfluß drängte sich zwischen die Krone und ihre Minister. 
Unter diesen vertrauten Räthen war Keiner, der den jungen Fürsten 
aus dem lauen Elemente der guten Vorsätze in die frische Luft der kräf- 
tigen Entschließung emporheben konnte. Der bedeutendste unter ihnen, 
Cabinetsrath Mencken wurde dem Königspaare werth durch die Milde 
seiner aufgeklärten moral-philosophischen Ansichten und bemühte sich redlich 
für allerhand Verbesserungen im Einzelnen; der umfassende Blick des 
Staatsmannes war auch ihm nicht gegeben. Nachher hatte Beyme den 
Vortrag über die wichtigsten inneren Angelegenheiten, Lombard über das 
Auswärtige — Jener ein tüchtiger Jurist von humanen Anschauungen, 
aber nur im Kleinen groß, Dieser ein leerer, frivoler Wüstling. Auch 
die Persönlichkeit der Generaladjutanten stimmte zu dem Geiste trivialer 
Mittelmäßigkeit, der in diesem Kreise vorherrschte. Oberst Zastrow war 
ein dünkelhafter Gegner jeder Reform; Oberst Köckritz eine enge Philister- 
seele, seinem jungen Herrn bequem durch phlegmatische Gutmüthigkeit, 
glückselig wenn er sich bei der Pfeife und einem ruhigen Spielchen von 
den Geschäften des Tages erholte, aber sehr unwirsch, wenn ein junger 
Edelmann sich's beikommen ließ „Versche zu machen“, wie der arme Heinrich 
v. Kleist. Obgleich der König diese kümmerlichen Menschen weit übersah, 
so ließ er sich doch unmerklich zu ihrer Zagheit und Kleinheit hinabziehen. 
Wie die Neubildung des Staates einst von dem Heere ausgegangen 
war, so wurde auch jetzt zuerst im Heerwesen fühlbar, daß die neue Zeit 
neue Formen forderte. Das beste Werbegebiet der alten Monarchie ging 
verloren, als das linke Rheinufer an Frankreich kam und bald nachher 
die neuen Mittelstaaten des Südwestens sich ihre eigenen kleinen Armeen 
bildeten. Daher befahl der König schon zu Beginn seiner Regierung eine 
stärkere Aushebung der cantonpflichtigen Inländer „wegen Abnahme der 
Reichswerbung“. Diesem ersten Schlage mußten andere folgen. Die
	        
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