Begründung der preußisch-russischen Allianz. 179
Reiche mußte vermieden werden. Daher erhielt Talleyrand die Weisung,
das preußisch gesinnte Haus Mecklenburg von dem neuen Kurfürsten—
rathe auszuschließen, er dürfte aber nicht davon sprechen.
Der Berliner Hof seinerseits war von der Ehrlichkeit der französischen
Freundschaft durchaus nicht überzeugt. Man hatte dort, wie fast an allen
Höfen, den Staatsstreich des 18. Brumaire willkommen geheißen, weil
eine geordnete Regierung in Frankreich den Weltfrieden zu verbürgen
schien; man war wieder, wie so oft schon, bemüht gewesen durch diplo—
matische Vermittlung die Integrität des Reichs zu retten. Aber wie sollte
ein deutscher Staat, der selbst nach der Erklärung des Reichskrieges im
Jahre 1799 sein Schwert in der Scheide hielt, so hohe Ziele erreichen?
Die Losreißung der Rheinlande wurde vollzogen, und Preußen hatte nichts
Ernstliches gewagt um den Schlag abzuwenden. Noch einmal ermannte
man sich dann zu einem tapferen Schritte, als Frankreich und Rußland
im Jahre 1801 Hannover zu besetzen, die Schließung der deutschen Häfen
zu erzwingen drohten; da kam Preußen den Fremden zuvor und nahm
selber das deutsche Land in Beschlag — ein entschlossenes Auftreten, das
in England richtig gewürdigt, von Bonaparte nie verziehen wurde. Unter—
dessen bemerkte der König mit Besorgniß, wie vereinzelt sein Staat stand.
Er mißtraute den unberechenbaren Absichten Bonaparte's und wies dessen
Anfragen, ob Preußen seine Entschädigung nicht in Hannover suchen wolle,
wiederholt zurück, nicht bloß aus Rechtlichkeit, sondern weil er die Hinter—
gedanken der französischen Politik errieth. Auf der anderen Seite sah er
die Interessen der preußischen Schifffahrt durch die englische Handelspolitik
schwer beeinträchtigt. Von dem Wiener Hofe endlich war er durch das
alte unbelehrbare gegenseitige Mißtrauen geschieden: hatte doch Oesterreich
noch im Kriege von 1799 abermals einen großen Theil seines Heeres in
Böhmen aufgestellt um Preußen in Schach zu halten.
So kam der König zu dem Entschlusse eine Verständigung mit Ruß—
land zu suchen; diesen Staat hielt er, nach seiner geographischen Lage,
für eine wesentlich defensive Macht. Es geschah zum ersten male, daß
der junge Fürst in der auswärtigen Politik sich mit einem selbständigen
Gedanken herauswagte; er fing jetzt an auch in diesen Fragen nach seiner
erwägsamen Art sich zurechtzufinden. Da am Petersburger Hofe jederzeit
eine starke preußische Partei bestand, so ward ein gutes Einvernehmen mit
dem Czaren Paul bald erreicht; Preußen war es, das im Jahre 1800
den Frieden zwischen Frankreich und Rußland herbeizuführen suchte. Die
Annäherung wurde zur Freundschaft, als der junge Czar Alexander über
die Leiche seines Vaters hinweg den Thron bestieg. Am 10. Juni 1802
hielten die beiden Nachbarfürsten in Memel jene denkwürdige Zusammen-
kunft, die für Friedrich Wilhelm's ganze Regierung folgenschwer werden
sollte. Beide jung, Beide erfüllt von den philantropischen Ideen der
völkerbeglückenden Aufklärung, fanden sie sich rasch zusammen, besprachen
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