Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Folgen der Secularisationen. 189 
monarchischen Formen, sondern zogen sich verdrossen, grollend zurück von 
dem Leben der Nation; nur dem Erzhause Oesterreichs gaben sie noch nach 
altem Brauche ihre Söhne in den Dienst. Aus den Kreisen dieses katho— 
lischen Adels erwuchs dem neuen weltlichen Deutschland eine tief verbitterte 
Opposition, die im Stillen einflußreich, bis zum heutigen Tage den inneren 
Frieden oft gestört, doch am letzten Ende durch unfruchtbares Verneinen 
nur den demokratischen Zug unserer jüngsten Geschichte gefördert hat. 
Am leichtesten fügten sich die mediatisirten Reichsstädte in die neue 
Ordnung der Dinge. Wohl stieß da und dort der schwerfällige Stolz der 
ehrenfesten Patricier mit der durchfahrenden Willkür der mittelstaatlichen 
Bureaukratie hart zusammen, und Mancher selbst aus dem jüngeren 
Geschlechte bewahrte sich, wie Friedrich List, sein Leben lang das trotzige 
Selbstgefühl des alten Reichsbürgers; indeß das Bewußtsein hilfloser Ohn— 
macht ließ nirgends einen ernsten Widerstand aufkommen. Am Reichs— 
tage bemerkte man kaum die Zerstörung des dritten Collegiums, das vor 
Zeiten so mächtig gewesen war wie die beiden oberen zusammen. Die 
wenigen Reichsstädte, welche der Vernichtung vorläufig noch entgangen 
waren, bedeuteten nichts mehr neben der Uebermacht der Fürsten, ja sie 
wurden durch den Reichsdeputationshauptschluß von der großen Politik 
geradezu ausgeschlossen: an den Berathungen über Krieg und Frieden sollten 
sie nicht theilnehmen und im Reichskriege einer unbedingten Neutralität 
genießen. Das friedensselige Geschlecht fand an dieser ungeheuerlichen 
Bestimmung kein Arg. Den Hamburger Rhedern ging ein alter Herzens— 
wunsch in Erfüllung, den der wackere Büsch oftmals unbefangen ausge— 
sprochen hatte; auch die Presse im Binnenlande rief Beifall: solche weise 
Begünstigung des Handels gereiche der Aufklärung unserer Tage zur Ehre. 
So ging denn aus den vielhundertjährigen Kämpfen der politischen 
Kräfte im Reiche die fürstliche Gewalt als die einzige Siegerin hervor. 
Die hierarchischen, die communalen, die aristokratischen Staatsbildungen 
des alten Deutschlands waren bis auf wenige Trümmer vernichtet. Was 
nicht fürstlichen Blutes war sank in die Masse der Unterthanen hinab; 
der Abstand zwischen den Fürsten und dem Volke, der in dem Zeitalter 
der absoluten Monarchie immer größer geworden, erweiterte sich jetzt noch 
mehr. Und wie ungeheuer stark zeigte sich wieder die Einwirkung des 
Fürstenstandes auf unser nationales Leben! Wie einst die kirchliche Re— 
formation bei den Landesherren ihren Schutz und ihre Rettung gefunden 
hatte, so wurde nun die politische Revolution von oben her einem ge— 
lassen schweigenden Volke auferlegt. Nicht die Propaganda der über— 
rheinischen Republikaner, sondern die dynastische Politik der deutschen 
Höfe hat die Grundsätze des revolutionären Frankreichs auf unserem 
Boden eingebürgert; und sie schritt vorwärts mit derselben durchgreifenden 
Rücksichtslosigkeit wie die Parteien des Convents, im Namen des Salut 
public zerstörte sie achtlos das historische Recht.
	        
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