Folgen der Secularisationen. 189
monarchischen Formen, sondern zogen sich verdrossen, grollend zurück von
dem Leben der Nation; nur dem Erzhause Oesterreichs gaben sie noch nach
altem Brauche ihre Söhne in den Dienst. Aus den Kreisen dieses katho—
lischen Adels erwuchs dem neuen weltlichen Deutschland eine tief verbitterte
Opposition, die im Stillen einflußreich, bis zum heutigen Tage den inneren
Frieden oft gestört, doch am letzten Ende durch unfruchtbares Verneinen
nur den demokratischen Zug unserer jüngsten Geschichte gefördert hat.
Am leichtesten fügten sich die mediatisirten Reichsstädte in die neue
Ordnung der Dinge. Wohl stieß da und dort der schwerfällige Stolz der
ehrenfesten Patricier mit der durchfahrenden Willkür der mittelstaatlichen
Bureaukratie hart zusammen, und Mancher selbst aus dem jüngeren
Geschlechte bewahrte sich, wie Friedrich List, sein Leben lang das trotzige
Selbstgefühl des alten Reichsbürgers; indeß das Bewußtsein hilfloser Ohn—
macht ließ nirgends einen ernsten Widerstand aufkommen. Am Reichs—
tage bemerkte man kaum die Zerstörung des dritten Collegiums, das vor
Zeiten so mächtig gewesen war wie die beiden oberen zusammen. Die
wenigen Reichsstädte, welche der Vernichtung vorläufig noch entgangen
waren, bedeuteten nichts mehr neben der Uebermacht der Fürsten, ja sie
wurden durch den Reichsdeputationshauptschluß von der großen Politik
geradezu ausgeschlossen: an den Berathungen über Krieg und Frieden sollten
sie nicht theilnehmen und im Reichskriege einer unbedingten Neutralität
genießen. Das friedensselige Geschlecht fand an dieser ungeheuerlichen
Bestimmung kein Arg. Den Hamburger Rhedern ging ein alter Herzens—
wunsch in Erfüllung, den der wackere Büsch oftmals unbefangen ausge—
sprochen hatte; auch die Presse im Binnenlande rief Beifall: solche weise
Begünstigung des Handels gereiche der Aufklärung unserer Tage zur Ehre.
So ging denn aus den vielhundertjährigen Kämpfen der politischen
Kräfte im Reiche die fürstliche Gewalt als die einzige Siegerin hervor.
Die hierarchischen, die communalen, die aristokratischen Staatsbildungen
des alten Deutschlands waren bis auf wenige Trümmer vernichtet. Was
nicht fürstlichen Blutes war sank in die Masse der Unterthanen hinab;
der Abstand zwischen den Fürsten und dem Volke, der in dem Zeitalter
der absoluten Monarchie immer größer geworden, erweiterte sich jetzt noch
mehr. Und wie ungeheuer stark zeigte sich wieder die Einwirkung des
Fürstenstandes auf unser nationales Leben! Wie einst die kirchliche Re—
formation bei den Landesherren ihren Schutz und ihre Rettung gefunden
hatte, so wurde nun die politische Revolution von oben her einem ge—
lassen schweigenden Volke auferlegt. Nicht die Propaganda der über—
rheinischen Republikaner, sondern die dynastische Politik der deutschen
Höfe hat die Grundsätze des revolutionären Frankreichs auf unserem
Boden eingebürgert; und sie schritt vorwärts mit derselben durchgreifenden
Rücksichtslosigkeit wie die Parteien des Convents, im Namen des Salut
public zerstörte sie achtlos das historische Recht.