228 J. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
Schönbrunner Vertrag den Staat gerettet zu haben. Sollte der König
den pflichtvergessenen Unterhändler für seine unerhörte Eigenmacht durch
schimpfliche Entlassung strafen und mit dem Schwerte in der Faust die
Herrschaft über Norddeutschland, zusammt Hannover, das thatsächlich in
Preußens Händen war, behaupten — oder dies Hannover als ein Geschenk
aus Napoleon's Händen entgegennehmen und dafür Cleve und Ansbach
abtreten, ein Schutz- und Trutzbündniß mit Frankreich schließen und sich
in den Krieg gegen England verwickeln lassen? Die Frage durfte für
einen ehrenhaften Staat keine Frage sein. Und dennoch rieth Harden—
berg zu einem Mittelwege: er rieth den Schönbrunner Vertrag anzu—
nehmen, aber unter Vorbehalten, welche dem Zerwürfniß mit England
vorbeugen sollten; denn obgleich er das Verfahren seines Gegners Haugwitz
scharf verdammte, so hoffte er doch noch jetzt durch neue Verhandlungen mit
Napoleon vielleicht neuen Landgewinn zu erreichen. Dergestalt lieferte man
dem listigen Gegner selber den willkommenen Vorwand, sich auch seiner—
seits nicht mehr an den Schönbrunner Vertrag zu binden. Dem schweren
Fehler folgte sogleich ein zweiter, noch gröberer. Während Napoleon sich
in verdächtiges Schweigen hüllte und seine Heersäulen von allen Seiten
her gegen Preußens Grenzen heranrückten, wurde die Abrüstung des
preußischen Heeres beschlossen. Getäuscht durch Laforest's zweideutige Zu—
sagen, hielt man Frankreichs Zustimmung für sicher und wollte den
Staatshaushalt nicht noch mehr belasten; war doch bereits zur Bestreitung
der Kosten der Mobilmachung eine Anleihe aufgenommen und die Aus—
gabe von fünf Millionen Thalern Tresorscheinen angeordnet worden. Die
ängstliche Sparsamkeit sollte dem Staate theuer zu stehen kommen. Napo—
leon hatte nur auf den Heimzug der preußischen Armee gewartet um
„einen noch weiteren Vertrag“ zu erzwingen; nun Preußen waffenlos vor
ihm lag, ließ er alsbald die Maske fallen. Hardenberg hoffte noch arg—
los, sich mit dem Imperator über die Neugestaltung Deutschlands freund—
schaftlich zu verständigen; er dachte an eine deutsche Trias, also daß
Desterreich für sich bliebe, Preußen im Norden, Frankreich im Süden den
beherrschenden Einfluß erlangte, und hielt in solchen ungeheuerlichen Formen
noch eine gewisse politische Gemeinschaft der deutschen Nation für möglich.
Da sendete Haugwitz, der in Paris die Verhandlungen abschließen
sollte, die niederschmetternde Nachricht, daß Napoleon den Schönbrunner
Vertrag nicht mehr anerkenne. Am 15. Februar 1806 unterzeichnete der
geängstete Unterhändler den Pariser Vertrag, der die harten Schönbrunner
Bedingungen noch verschärfte; Preußen versprach die hannoverschen Flüsse
zu sperren, mithin sofort einen Krieg gegen England zu beginnen, der
den preußischen Handel völlig lähmen mußte, und von der in Schönbrunn
verheißenen Entschädigung für Ansbach war nun keine Rede mehr. Welch
eine Lage! Die Regimenter standen längst auf Friedensfuß, zerstreut in
ihren Garnisonen; vom Main und Rhein her zugleich einbrechend konnten