Palm. Gentz. Arndt. 237
Auch aus dem stillen Norden erklangen jetzt endlich wieder mächtige
Worte vaterländischen Zornes. Als ein ergebener Unterthan der drei
Kronen Schwedens hatte Ernst Moritz Arndt, der tapfere Sohn der
Insel Rügen, bisher dahin gelebt; erst da die Schande den Deutschen
in den Nacken schlug wallte das deutsche Blut in ihm auf und er
entsann sich seines Vaterlandes. Während des Krieges von 1805 schrieb
er den ersten Theil des „Geistes der Zeit"“ und seitdem blieb er seinem
unglücklichen Volke unerschütterlich als ein getreuer Eckart, ein Wecker
der Gewissen zur Seite. Weder Gentzen's umfassende Sachkenntniß, noch
die stahlharte Schärfe und die bewußte Berechnung des großen Publi-
cisten standen ihm zu Gebote; ein Kind der Natur wie er war brauchte
er langer Jahre um die landschaftlichen Vorurtheile seiner schwedisch-
pommerschen Heimath zu überwinden: die unklare Begeisterung für das
Land der Wälder und der Freiheit, Skandinavien, und den Widerwillen
gegen dies ärmlich nüchterne Preußen, das mit seinem verstandeskalten
Friedrich doch allein die Spaltung Deutschlands verschuldet habe. Aber
frisch und kräftig, wie die Wogen seines heimischen Meeres, mit einer ur-
sprünglichen, unmittelbaren Macht der Empfindung, die so keinem anderen
politischen Schriftsteller jener Tage gegeben war, strömte ihm die Rede
aus dem übervollen, liebeglühenden Herzen; jedes Wort war treu, muthig,
wahrhaft wie die tiefen blauen Augen des ewig jugendlichen Mannes.
Während die hart politischen Gedanken des Wiener Publicisten nur von
Wenigen in diesem staatlosen Geschlecht verstanden wurden, schloß Arndt
sein Buch mit dem kindlichen Ausruf: „ich liebe die Menschen;“ er ergriff
die Gemüther, weil er die Politik von der menschlichen Seite nahm. Er
zuerst erkannte und strafte die sittlichen Schäden der geistigen Ueber-
bildung und rief dem klugen Jahrhundert zu: besser ist Leben als vom
Leben schwatzen. „Ohne das Volk ist keine Menschheit und ohne den
freien Bürger kein freier Mensch. Ein Mensch ist selten so erhaben, daß
er äußere Knechtschaft und Verachtung dulden kann ohne schlechter zu
werden; ein Volk ist es nie.“ Verwandte Stimmungen regten sich auch
in der Berliner literarischen Jugend; seit den unseligen Ansbacher Händeln
wollte das alte behagliche Selbstgefühl nicht wiederkehren. In den Kreisen
Schleiermacher's träumte man gern von dem nordischen Bunde, der durch
Verkehrsfreiheit und gemeinsames Heerwesen die Deutschen des Nordens
wieder zu Brüdern machen sollte.
Eben diesen Gedanken, den einzigen der noch Rettung verhieß, hatte
die preußische Regierung selbst soeben aufgenommen. Während das heilige
Reich unterging, der Süden und Westen sich der französischen Herrschaft
beugten, unternahm König Friedrich Wilhelm — so sagte nachher sein
Kriegsmanifest — die letzten Deutschen unter Preußens Fahnen zu ver-
sammeln. Vor zwei Jahren hatte er die norddeutsche Kaiserkrone, die
ihm Napoleon anbieten ließ, rundweg zurückgewiesen weil er den Geschenken