238 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
der Danger mißtraute, und mit aufrichtigem Bedauern sah er jetzt das
Reich zu Grunde gehen. Erst als die alte Rechtsgemeinschaft der deutschen
Nation sich völlig auflöste, entschloß sich der gewissenhafte Fürst, jene bün-
dischen Reformpläne, die seit dem Fürstenbunde am Berliner Hofe immer
wieder aufgetaucht waren, endlich durchzuführen, und der Schirmherrschaft
Preußens über den Norden, die seit dem Baseler Frieden thatsächlich
bestand, eine feste rechtliche Form zu geben. Er wollte, so schrieb er an
Friedrich August von Sachsen, dem Rheinbunde ein Föderativsystem
entgegensetzen, welches das nördliche Deutschland retten könne. Preußen
lenkte endlich wieder ein in die Bahnen einer gesunden deutschen Politik,
und gerade diese Rückkehr zu seinen großen Ueberlieferungen sollte dem
Staate eine schreckliche Demüthigung, die Strafe für vergangene Sünden
bringen. Der König glaubte kein Wort mehr von den glatten Schmeichel-
reden, womit ihn Napoleon noch während des Winters überschüttet hatte.
Seit dem Pariser Vertrage war er auf das Aergste gefaßt; er nannte die
Stiftung des Rheinbundes, die dem alliirten Berliner Hofe nicht einmal
im Voraus angezeigt wurde, eine Revolution und eine offenbare Feindselig-
keit gegen Preußen; auch fühlte er sich keineswegs sicher im Besitze von
Hannover, das er für das Bollwerk der Unabhängigkeit des Nordens hielt.
Die Vereinigung dieses Landes mit der norddeutschen Großmacht entsprach
so sehr dem europäischen Interesse, daß sogar in England einzelne Ein-
sichtige zu einer friedlichen Verständigung mit dem Berliner Cabinet
riethen; doch der Welfenstolz Georg's III. widerstand hartnäckig. Wäh-
rend Preußen also um Hannovers willen mit England einen unfruchtbaren
Krieg führte, mußte der König zugleich fürchten, daß die Tücke seines
Alliirten ihm das so theuer erkaufte Land wieder entreißen würde.
Es ward hohe Zeit die letzten Lande, die noch deutsch und frei
waren, in wehrhaften Stand zu setzen. Jene Dreitheilung Deutschlands,
wovon Hardenberg im Frühjahr träumte, war jetzt nahezu vollzogen, ganz
anders freilich als der Vertrauensvolle gedacht hatte; dem preußischen
Hofe blieb nur noch übrig, ohne Rücksicht auf Oesterreich und Frankreich
vorzugehen und das Drittel Deutschlands, das in sein Machtgebiet fiel,
selbständig zu gestalten. Da auch Haugwitz längst über Napoleon's Ab-
sichten in's Klare gekommen war, so begann Preußen schon im Juli, noch
bevor der Rheinbund abgeschlossen wurde, Verhandlungen mit dem Dresdner
und dem Casseler Hofe wegen der Errichtung eines Norddeutschen Bundes.
Der preußische Plan lehnte sich eng an die altgewohnten Institutionen
des Reichs an, forderte von den kleinen Höfen nur die unerläßlichen
militärischen Leistungen. Man verlangte die Kaiserwürde für Preußen,
für die beiden Kurfürsten die längst ersehnten Königskronen; ferner einen
Gesandtencongreß unter dem Directorium dieser drei Staaten und für
jeden von ihnen die Stellung eines Kriegsobersten in einem der drei
Kreise des Bundes; endlich ein Bundesgericht und ein Bundesheer von