Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

304 I. 3. Preußens Erhebung. 
burgischen, den Freunden Immermann's war die Frage, wie man wohl 
den Corsen aus dem Wege räumen könne, ein gewöhnlicher Gegenstand des 
Gesprächs, und keiner fand ein Arges daran. Schwerere Naturen ergriffen 
den unheimlichen Gedanken mit grimmigem Ernst; Heinrich Kleist trug ihn 
monatelang mit sich herum in seiner umnachteten Seele. Nachher lernte 
Napoleon mit Entsetzen aus dem Mordanfalle des unglücklichen Staps, 
wie tief sich der Haß selbst in fromme, schlichte Gemüther eingefressen. 
Natürlich daß sich auch die akademische Jugend auf ihre Art an den ver- 
botenen Vereinen betheiligte. Schon vor der Katastrophe von Jena bildeten 
Marburger Studenten, unter dem Eindrucke der Ermordung Palm's, einen 
geheimen Bund zur Wahrung deutscher Art und Freiheit. Der be- 
rühmteste aber unter jenen Geheimbünden, mit dessen Namen die Franzosen 
alle anderen zu bezeichnen pflegten, der Königsberger Tugendbund zählte 
nie mehr als etwa 350 Mitglieder, darunter nur vier Berliner. Einige 
wohlmeinende, aber wenig einflußreiche Patrioten, wie Bärsch, Lehmann, 
Mosqua und der junge Jurist Bardeleben, hatten ihn mit Erlaubniß des 
Königs gestiftet um den sittlichen und vaterländischen Sinn zu beleben und 
lösten ihn sofort gehorsam wieder auf als nach dem Abzuge der Franzosen die 
rechtmäßige Staatsgewalt zurückkehrte und das alte Verbot der geheimen 
Gesellschaften wieder einschärfte. Weder Stein noch Scharnhorst gehörte 
ihm an, und von ihren nahen Freunden nur zwei, Grolman und Boyen. 
Ueberhaupt blieb die Wirksamkeit der Geheimbünde weit geringer als 
die geängsteten Franzosen annahmen, die sich den Sturz der napoleonischen 
Herrschaft nur aus dem Walten geheimnißvoller Mächte erklären konnten. 
Mancher wackere Mann wurde durch dies Vereinsleben für die vater- 
ländische Sache gewonnen; einige der Besten aus der jungen Generation, 
die späterhin an die Spitze der Verwaltung traten, Eichhorn, Merckel, 
Ribbentrop sind durch diese Schule gegangen. Scharnhorst, der Alles sah 
und Alles wußte, betraute dann und wann einzelne der Verschworenen 
mit gefährlichen Aufträgen, wenn es etwa galt einen Waffentransport 
über die Grenze zu schaffen. Im Jahre 1812 nahm das stillgeschäftige 
Treiben einen neuen Aufschwung; man unterstützte deutsche Offiziere, die 
in russischen Dienst treten wollten, man verbreitete im Rücken der großen 
Armee die Nachrichten von ihren Niederlagen, fing auch wohl einmal einen 
französischen Curier ab. Doch im Ganzen war der augenblickliche Erfolg 
unerheblich; um so stärker, und keineswegs erfreulich, die Nachwirkung. 
Jenes phantastische Wesen, das dem jungen Deutschthum von Haus aus 
eigen war, gewann durch die Geheimbünde neue Nahrung. Ein Theil 
der Jugend gewöhnte sich mit dem Unmöglichen zu spielen, die harten 
Thatsachen der gegebenen Machtverhältnisse zu mißachten, und setzte dann 
nach dem glücklich erkämpften Frieden ein Treiben fort, das allein in dem 
Drucke der Fremdherrschaft seine Rechtfertigung gefunden hatte. Die Re- 
gierungen andererseits wurden, als späterhin das Mißtrauen gegen die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.