Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

474 I. 4. Der Befreiungskrieg. 
Soldaten und behielten von den Thaten dieses Krieges nichts im Gedächtniß, 
während die Erinnerung an Aspern und Wagram in Aller Herzen fortlebte. 
Die breite Kluft, welche das geistige Leben der Oesterreicher von den übrigen 
Deutschen trennte, wurde durch den Befreiungskrieg nicht überbrückt. Nur 
Anstands halber, nur um nicht allzu weit hinter Preußen zurückzubleiben 
ließ auch Kaiser Franz eine Deutsche Legion für Freiwillige aus dem 
Reiche bilden, ein Freicorps, das niemals irgend eine Bedeutung erlangte. 
Die altgewohnte unbehilfliche Schwerfälligkeit der Führung und Verwal- 
tung des österreichischen Heeres erregte wieder den Spott der französischen 
Soldaten über die Kaiserlicks; glänzenden Kriegsruhm erwarb sich, außer 
einigen kühnen Reiteroffizieren, kein einziger der k. k. Generale. 
Da die Hofburg den Krieg nur mit halbem Herzen führte, beständig 
in Angst vor der nationalen Begeisterung der Preußen und den polnischen 
Plänen des Czaren, so konnte sie auch ihren tüchtigsten Feldherrn nicht 
verwenden; überdies war Erzherzog Karl seinem mißtrauischen kaiserlichen 
Bruder verdächtig und als alter Gegner der russischen Allianz dem Peters- 
burger Hofe unwillkommen. Fürst Schwarzenberg. erhielt den Oberbefehl, 
ein tapferer Reiterführer und ehrenhafter Cavalier, der mit feinem diplo- 
matischem Takte die mächtigen streitenden Interessen im großen Haupt- 
quartiere auszugleichen, unter den schwierigsten Verhältnissen, trotz der 
Anwesenheit von drei Monarchen die buntscheckige Masse der verbün- 
deten Heere leidlich zusammenzuhalten verstand; doch dem Genie Napo- 
leon's fühlte er sich nicht gewachsen, der große Ehrgeiz des geborenen Feld- 
herrn blieb ihm fremd. Sein trefflicher Generalstabschef Radetzky besaß 
geringen Einfluß; in der Regel gaben die Generale Duca und Langenau 
den Ausschlag im Kriegsrathe, zwei Theoretiker aus Lloyd's behutsam 
methodischer Kriegsschule, denen nichts schrecklicher war als das Wagniß 
der Feldschlacht. Noch war der Zauber des napoleonischen Namens un- 
gebrochen. Selbst Czar Alexander begann zu glauben, daß die neufran- 
zösische Kriegskunst allein durch ihre eigenen Schüler zu überwinden sei; 
er setzte sein Vertrauen vornehmlich auf Bernadotte und zwei andere 
französische Ueberläufer, Moreau und Jomini, ja er erwartete sogar, daß 
diese Abtrünnigen Zwiespalt und Parteikampf im napoleonischen Heere 
hervorrufen könnten — eine Hoffnung, die an dem ehrenwerthen Patrio- 
tismus der Franzosen zu Schanden wurde. Nur im preußischen Lager 
lebte das leidenschaftliche Verlangen nach großen durchschlagenden Ent- 
scheidungen und das stolze Selbstvertrauen, das den Sieg verbürgt; aber 
erst im Verlaufe des Kriegs, nach errungenem Erfolge erlangten die preu- 
ßischen Heerführer, die bedeutendsten militärischen Talente der Coalition, 
Macht und Ansehen. 
Die Absicht Metternich's seinem Hofe die führende Stelluug in der 
Allianz zu verschaffen, erfüllte sich vollständig. Wie der Oberbefehl der 
gesammten Streitkräfte dem Fürsten Schwarzenberg anvertraut wurde,
	        
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