Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Das schlesische Heer. 479 
spürten etwas von der eigenthümlichen Siegesfreudigkeit, die von Blücher's 
Hauptquartier ausstrahlte. Einige ihrer Führer, wie Sacken und der toll— 
kühne Reitergeneral Wassiltschikow lebten mit den Preußen in vertrau— 
licher Kameradschaft; die Kosaken begrüßten den greisen Feldherrn mit 
endlosen Hurrahrufen wo er sich zeigte und erzählten einander, der Alte 
sei eigentlich ein Kosakenkind, am blauen Don geboren. 
Einem jungen Deutschen mochte wohl das Herz aufgehen in dem 
Heldenkreise, der sich um Blücher versammelte. Da standen neben York 
die Brigadeführer Steinmetz, jener Horn, dem die Franzosen vor'm Jahre 
den Namen des preußischen Bayard gegeben hatten, und der Bruder der 
Königin Luise, Karl von Mecklenburg; die verwegenen Reiterführer Jür— 
gaß und Sohr, der Liebling Blücher's Katzeler und der tolle Platen mit 
seiner ewig brennenden Pfeife; unter den Jüngeren Schack und Graf 
Brandenburg, der Minister von 1848, jene Beiden, die sich York gern 
als Preußens künftige Feldherren dachte; neben Gneisenau der schwunglos 
nüchterne Müffling, der Einzige fast, der zu dem jugendlichen Tone dieses 
Kreises nicht paßte, dann Rühle von Lilienstern, der Freund von Heinrich 
Kleist, ein hochgebildeter, geistvoller Offizier, der immer zur Hand sein 
mußte wenn es galt durch persönliche Ueberredung auf die beiden anderen 
Hauptquartiere einzuwirken, dann Major Oppen, der spanische Held, dann 
Fehrentheil, der nachher in der demagogischen Phantasterei des Teutonen— 
thums unterging, während der junge Gerlach späterhin ein Führer der 
Hochconservativen wurde; dazu die Schriftgelehrten, wie Blücher sie 
spottend nannte: der liebenswürdige, fromme Naturforscher Karl von 
Raumer, der philosophische Schwärmer Steffens, endlich Eichhorn, der 
die Erinnerungen dieser reichen Monate wie ein heiliges Vermächtniß im 
Herzen bewahrte und nachher durch den Ausbau des Zollvereins das 
Werk des Befreiungskrieges zu vollenden strebte. Es war wie ein Mikro— 
kosmos des neuen Deutschlands: fast alle die Parteien der Politik und 
Literatur, welche in den folgenden Jahrzehnten das deutsche Leben erfüllten, 
fanden hier ihre Vertreter. Keine Spur mehr von dem rohen Bildungs— 
hasse der alten Armee; an müßigen Abenden lasen die Offiziere zuweilen 
Shakespeare'sche Dramen mit vertheilten Rollen, oder Oppen spielte deutsche 
und spanische Lieder auf seiner Cither. Mit rücksichtsloser Offenheit sagte 
Jeder seine Meinung gerade heraus wie Blücher selber; nirgends wurde 
die Felonie der deutschen Fürsten schärfer verurtheilt, die Vernichtung der 
rheinbündischen Souveränität und die Verstärkung der preußischen Macht 
stürmischer gefordert als in der Umgebung des preußischen Feldherrn. 
„Geht es nach mir,“ sagte General Hünerbein zu dem Kurprinzen von 
Hessen, „so bekommt Ihr Vater nicht soviel Land zurück als ich Schmutz 
unter meinen Nägeln habel!“ 
Welch ein Gegensatz zu dem Hauptquartiere Napoleon's! Wie war 
es doch so unheimlich still geworden um den neuen Caesar seit das Glück
	        
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