Großbeeren. Bülow. 483
Boyen als Generalquartiermeister an seiner Seite. Geistreich und fein ge—
bildet, in jungen Jahren eine Zierde der Salons des Prinzen Louis Ferdi—
nand, ein Kenner der Künste und begabter Componist, zeigte er in seinem
äußeren Auftreten gar nichts von jener fortreißenden begeisternden Macht,
die aus Blücher's Flammenaugen blitzte. Wer hätte den unscheinbaren
kleinen Mann für einen Feldherrn gehalten, wenn er so still in Ueberrock
und Feldmütze, einen Kantschu über die Schulter, auf seinem kleinen dauer—
haften Rothschimmel dahertrabte? Aber die Offiziere wußten, was sie an
dem gerechten und wohlwollenden, durchaus wahrhaftigen und gradsinnigen
Führer hatten; der Mannschaft war er ein sorgsamer Vater, sie schwor auf
ihn und glaubte fest, unter dem könne es nicht fehlgehen. Und auch die
Furcht fehlte nicht, die zur Beherrschung eines Heeres nothwendig ist; der
stille Mann konnte zuweilen in unbändigem Jähzorn aufflammen, wenn
er etwa gefangenen Rheinbundsoffizieren mit schonungslosen Worten die
Schande ihres Schergendienstes vorhielt oder durch einen Adjutanten
Bernadotte's einen Befehl zum Rückzuge empfing. Seit dem Erfolge von
Großbeeren trat er dem Kronprinzen mit der ganzen Schroffheit seines
Selbstgefühls entgegen; er wagte sogar in den Zeitungen dem parteiisch
gefärbten Schlachtberichte des Oberfeldherrn zu widersprechen. Die preußi-
schen Generale nahmen sich vor, dem hinterhaltigen Zauderer nicht zu
gehorchen, falls er wieder einmal die günstige Stunde zum Angriff ver-
säumen sollte — ein gefährlicher Entschluß, der allein durch die unnatür-
lichen Verhältnisse in diesem Coalitionsheere entschuldigt werden konnte.
Gleichzeitig mit Oundinot war Davoust von Hamburg aus gegen Berlin
aufgebrochen, aber auf die Nachricht von Großbeeren wieder zurückgewichen.
Auch das Corps Girard's, das von Magdeburg her der Nordarmce in
die Flanke fallen sollte, trat nach Eintreffen der Unheilsbotschaft den Rück-
marsch an; da wurden die Abziehenden am 27. August in ihrem Lager
auf den Sandhügeln der Zauche bei Hagelberg von den kurmärkischen Land-
wehrregimentern des Generals Hirschfeld angegriffen. Der würdige alte
Herr, ein wieder eingetretener Veteran aus dem siebenjährigen Kriege, leitete
das Gefecht nach den Regeln der fridericianischen Lineartaktik; er erwartete
nicht allzu viel von seinen rohen, fast ganz ungeschulten Truppen, und
wie er dachte Marwitz, der Führer der Reservebrigade. In der That hielt
die junge Mannschaft dem unerwarteten Feuer der französischen Batterien
anfangs nicht Stand; jedoch als der erste Schrecken überwunden war,
stürmten die brandenburgischen Bauern, ermuthigt durch die feste Hal-
tung eines erprobten Linienregiments, unaufhaltsam vor, und dann brach
sie los, die alte furia tedesca, jene Wildheit des nordischen Berserker-
zornes, wovon die Sagen der Romanen seit den Zeiten des Varus so
viel Gräßliches zu erzählen wußten. Welch ein Anblick, wie die Bauern
auf ein dichtgedrängtes Viereck französischen Fußvolks an der Hagelberger
Dorfmauer losschlugen, schweigsam, unerbittlich, in namenloser Wuth;
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