Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Großbeeren. Bülow. 483 
Boyen als Generalquartiermeister an seiner Seite. Geistreich und fein ge— 
bildet, in jungen Jahren eine Zierde der Salons des Prinzen Louis Ferdi— 
nand, ein Kenner der Künste und begabter Componist, zeigte er in seinem 
äußeren Auftreten gar nichts von jener fortreißenden begeisternden Macht, 
die aus Blücher's Flammenaugen blitzte. Wer hätte den unscheinbaren 
kleinen Mann für einen Feldherrn gehalten, wenn er so still in Ueberrock 
und Feldmütze, einen Kantschu über die Schulter, auf seinem kleinen dauer— 
haften Rothschimmel dahertrabte? Aber die Offiziere wußten, was sie an 
dem gerechten und wohlwollenden, durchaus wahrhaftigen und gradsinnigen 
Führer hatten; der Mannschaft war er ein sorgsamer Vater, sie schwor auf 
ihn und glaubte fest, unter dem könne es nicht fehlgehen. Und auch die 
Furcht fehlte nicht, die zur Beherrschung eines Heeres nothwendig ist; der 
stille Mann konnte zuweilen in unbändigem Jähzorn aufflammen, wenn 
er etwa gefangenen Rheinbundsoffizieren mit schonungslosen Worten die 
Schande ihres Schergendienstes vorhielt oder durch einen Adjutanten 
Bernadotte's einen Befehl zum Rückzuge empfing. Seit dem Erfolge von 
Großbeeren trat er dem Kronprinzen mit der ganzen Schroffheit seines 
Selbstgefühls entgegen; er wagte sogar in den Zeitungen dem parteiisch 
gefärbten Schlachtberichte des Oberfeldherrn zu widersprechen. Die preußi- 
schen Generale nahmen sich vor, dem hinterhaltigen Zauderer nicht zu 
gehorchen, falls er wieder einmal die günstige Stunde zum Angriff ver- 
säumen sollte — ein gefährlicher Entschluß, der allein durch die unnatür- 
lichen Verhältnisse in diesem Coalitionsheere entschuldigt werden konnte. 
Gleichzeitig mit Oundinot war Davoust von Hamburg aus gegen Berlin 
aufgebrochen, aber auf die Nachricht von Großbeeren wieder zurückgewichen. 
Auch das Corps Girard's, das von Magdeburg her der Nordarmce in 
die Flanke fallen sollte, trat nach Eintreffen der Unheilsbotschaft den Rück- 
marsch an; da wurden die Abziehenden am 27. August in ihrem Lager 
auf den Sandhügeln der Zauche bei Hagelberg von den kurmärkischen Land- 
wehrregimentern des Generals Hirschfeld angegriffen. Der würdige alte 
Herr, ein wieder eingetretener Veteran aus dem siebenjährigen Kriege, leitete 
das Gefecht nach den Regeln der fridericianischen Lineartaktik; er erwartete 
nicht allzu viel von seinen rohen, fast ganz ungeschulten Truppen, und 
wie er dachte Marwitz, der Führer der Reservebrigade. In der That hielt 
die junge Mannschaft dem unerwarteten Feuer der französischen Batterien 
anfangs nicht Stand; jedoch als der erste Schrecken überwunden war, 
stürmten die brandenburgischen Bauern, ermuthigt durch die feste Hal- 
tung eines erprobten Linienregiments, unaufhaltsam vor, und dann brach 
sie los, die alte furia tedesca, jene Wildheit des nordischen Berserker- 
zornes, wovon die Sagen der Romanen seit den Zeiten des Varus so 
viel Gräßliches zu erzählen wußten. Welch ein Anblick, wie die Bauern 
auf ein dichtgedrängtes Viereck französischen Fußvolks an der Hagelberger 
Dorfmauer losschlugen, schweigsam, unerbittlich, in namenloser Wuth; 
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