Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Schlacht von Kulm. 487 
erkannte mit sicherem Blicke was auf dem Spiele war. Er warf sich auf 
die große, östliche, Teplitzer Straße, von der die Masse der Verbündeten 
abgedrängt war, sprengte die Vortruppen Vandamme's aus einander und 
gelangte also noch vor den Franzosen auf den Kamm des Gebirges bei 
Peterswalde. Am Morgen des 29. August vom Feinde angegriffen stiegen 
die Russen am Südabhange des Gebirges langsam herab bis gegen Kulm. 
Bereits hatten ihre Generale gegen die Meinung des Prinzen beschlossen 
das Feld zu räumen und weiter südwärts über die Eger auszuweichen. 
Da kam von dem Könige von Preußen, der unterdessen der Armee vor— 
aus in Teplitz angelangt war, der wiederholte Befehl, Stand zu halten 
um jeden Preis: nur wenn dies Corps hier im Osten dem Vordringen 
Vandamme's einen Riegel vorschob, konnte die böhmische Armee weiter west— 
lich ungefährdet das Teplitzer Thal erreichen. Friedrich Wilhelm zeigte 
jetzt, daß er ein ganzer Soldat war sobald er sich nur das Herz faßte 
zu befehlen. Er eilte zu den Russen, ermuthigte die Generale zu verzwei- 
feltem Widerstande, sendete nach allen Ausgängen des Gebirges seine 
Boten aus um heranzurufen was sich irgend loswinden konnte aus den 
verstopften Pässen, befahl selber dem Obersten des tapferen österreichischen 
Dragonerregiments Erzherzog Johann sogleich in die Gefechtslinie einzu- 
rücken. Die Russen nahmen die Schlacht an; der Stolz ihres Heeres, 
die wohlgeschonte Garde, war mit zur Stelle. Den ganzen Tag lang 
behauptete sich die tapfere Schaar, an 15,000 Mann, mit unerschütter- 
licher Standhaftigkeit gegen die stürmischen Angriffe einer zweifachen Ueber- 
macht. Aber die Garden hatten furchtbar gelitten; was sollte der nächste 
Tag bringen? 
Am Abend schickte der König an General Kleist, der noch hoch in 
den Bergen bei Zinnwald stand, die Weisung: er solle versuchen ostwärts 
quer über den Kamm des Gebirges die Teplitzer Landstraße zu erreichen 
und dann von den Nollendorfer Höhen her den Franzosen in den Rücken 
fallen. Als die Botschaft eintraf, hatte Kleist schon von freien Stücken 
den nämlichen glücklichen Entschluß mit seinem Generalquartiermeister 
Grolman verabredet. Der General, ein ruhiger, besonnener Soldat der 
alten Schule, von feinen gemessenen Formen, konnte mit seinem Corps 
nicht mehr vorwärts in den verrammelten Gebirgswegen und begriff, daß 
die höchste Kühnheit hier die einzige Rettung war. Während die Russen 
drunten im Thale, jetzt durch Oesterreicher erheblich verstärkt, am Morgen 
des 30. den Kampf von Neuem aufnahmen, hielt Czar Alexander auf einem 
Hügel bei Kulm, die Wahlstatt überschauend: südwärts die malerischen 
Kegel des Mittelgebirges, im Norden meilenlang die ungeheure steile Wand 
des Erzgebirges, dazwischen in der üppigen Ebene die wogende Schlacht. 
Da bemerkte er mit Erstaunen, wie droben bei Nollendorf Geschütze auf- 
fuhren, dichte Truppenmassen das Gebirge herab den Franzosen nach- 
zogen. Es waren Kleist's Preußen, die hungernd und ermattet nach
	        
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