Vertrag von Ried. 497
September war das Münchener Cabinet endlich zu der Einsicht gelangt,
daß es Zeit sei das sinkende Schiff zu verlassen. Die beiden Kaiser er-
muthigten den König von Baiern durch freundliche Briefe; Hofrath Hruby,
einer der gewandtesten österreichischen Diplomaten, dessen Wirksamkeit der
preußische Staat noch oft schmerzlich empfinden sollte, reiste geschäftig hin
und her. Am 8. October schlossen Oesterreich und Baiern den Rieder
Vertrag. Beide Theile konnten sich eines großen diplomatischen Erfolges
rühmen, des größeren doch Oesterreich. Die Hofburg gewann für sich
Tyrol, Salzburg, das Inn= und Hausruckviertel und führte zugleich drei
schwere Schläge gegen Preußen. Der Kernstaat des Rheinbundes trat
als gleichberechtigte Macht in die Coalition ein, wurde feierlich aller ver-
gangenen Schuld entlastet; und jetzt zeigte sich, welchen Sinn Oesterreich
mit jenen verhängnißvollen Worten des Teplitzer Vertrages verband: die
verheißene ganze und unbedingte Unabhängigkeit wurde kurzweg dahin
erläutert, daß Baiern, von jedem fremden Einfluß befreit, „seiner voll-
kommenen Souveränität genießen“ solle. Damit war den Bundesplänen
Preußens die Spitze abgebrochen. Baiern erhielt ferner die Anerkennung
seines Besitzstandes; das will sagen: Hardenberg's Plan den Rheinbunds-
staaten den Raub der jüngsten Jahre wieder abzunehmen, fiel platt zu
Boden, und Ansbach-Bayreuth ging für Preußen verloren. Der Münchener
Hof empfing endlich für die an Oesterreich abgetretenen Provinzen die
Lande Würzburg und Aschaffenburg sowie die geheime Zusage noch anderer
deutscher Landstriche, die mit seinem Gebiete in ununterbrochenem Zu-
sammenhange stehen sollten; durch diese Aussicht ward das Haus Wittels-
bach für die nächste Zeit fest an Oesterreich gekettet.
Die geheimen Artikel des Rieder Vertrages wurden vor dem preußi-
schen Cabinet noch längere Zeit verborgen gehalten“) und erregten, als
sie endlich an's Licht traten, lebhaften Unwillen. Hardenberg und Hum-
boldt hatten in Teplitz einen Artikel für den bairischen Vertrag vorge-
schlagen, worin Baierns Unterwerfung unter die deutsche Bundesgewalt
ausbedungen war; sie waren damit weder bei dem Czaren noch bei Met-
ternich durchgedrungen, und nun mußten sie erleben, daß Oesterreich den
gefährlichsten und böswilligsten Staat des Rheinbundes von jeder Ver-
pflichtung gegen Deutschland freisprach! Montgelas hielt es nicht einmal
für nöthig seine bonapartistischen Neigungen zu verbergen; in der öffent-
lichen Erklärung, die den vollzogenen Fahnenwechsel verkündigte, sprach er
unbefangen die Hoffnung aus auf baldige Wiederherstellung der freund-
schaftlichen Beziehungen, denen der König nur im letzten Augenblicke und
in höchster Bedrängniß entsagt habe. Und diesem Staate hatte Oester-
reich die alten Stammlande der Hohenzollern preisgegeben!
Zu Anfang des Jahres, in einem Augenblicke da Baierns Abfall den
*) Hardenberg's Tagebuch, 17. Nov. 1813.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 32