506 J. 4. Der Befreiungskrieg.
angelangt war, zur thätigen Theilnahme beredet wurde; um den Bedacht—
samen nur in den Kampf hineinzureißen hatte Blücher seiner eigenen That—
kraft das schwerste Opfer zugemuthet, 30,000 Mann seines Heeres an die
Nordarmee abgetreten und damit selber auf den Ruhm eines neuen Sieges
verzichtet. Einmal entschlossen zeigte Bernadotte die Umsicht des bewährten
Feldherrn. Während Langeron's Russen auf der äußersten Rechten der
Angriffslinie durch wiederholten Sturm den Feind aus Schönefeld zu
verdrängen suchten, traf die Hauptmasse der Nordarmee am Nachmittag
auf der Ostseite von Leipzig ein. Bülow führte das Vordertreffen und
schlug das Corps Reynier's aus Paunsdorf hinaus.
So stießen die alten Feinde von Großbeeren abermals auf einander,
doch wie war seitdem die Stimmung in den sächsischen Regimentern um—
geschlagen! Wunderbar lange hatte die ungeheure Macht des deutschen
Fahneneides die Truppen des Rheinbundes bei ihrer Soldatenpflicht fest—
gehalten; außer einigen vereinzelten Bataillonen waren bisher nur zwei
westphälische Reiterregimenter zu den Verbündeten übergegangen. Mit
dem Glücke schwand auch das Selbstgefühl der napoleonischen Lands—
knechte; sie begannen sich des Krieges gegen Deutschland zu schämen, sie
empfanden nach was ihr Landsmann Rückert ihnen zurief:
Ein Adler kann vielleicht noch Ruhm erfechten,
Doch sicher Ihr, sein Raubgefolg, Ihr Raben
Erfechtet Schmach bei kommenden Geschlechten!
Die Sachsen fühlten sich zudem in ihrer militärischen Ehre gekränkt durch
die Lügen der napoleonischen Bulletins; sie sahen mit Unmuth wie ihre
Heimath ausgeplündert, ihr König von Ort zu Ort hinter dem Protector
her geschleppt wurde; und sollten sie mit nach Frankreich entweichen, wenn
Napoleon die Schlacht verlor und Sachsen ganz in die Gewalt der Ver-
bündeten siel? Selbst die Franzosen empfanden Mitleid mit der unnatür-
lichen Lage dieser Bundesgenossen; Reynier hatte bereits den Abmarsch der
Sachsen nach Torgau angeordnet, als das Anrücken der Nordarmee die
Ausführung des wohlgemeinten Befehls verhinderte. Nur König Friedrich
August zeigte kein Verständniß für die Bedrängniß seiner Armee noch für
seine eigene Schande. Unwandelbar blieb sein Vertrauen auf den Glücks-
stern des Großen Alliirten; noch während der Schlacht verwies er seine
Generale trocken auf ihre Soldatenpflicht als sie ihn baten die Trennung
des Contingents von dem französischen Heere zu gestatten. Die deutsche
Gutmüthigkeit wollte dem angestammten Herrn so viel Verblendung nicht
zutrauen. Die Offiziere glaubten fest, ihr König sei unfrei; keineswegs
in der Meinung ihren Fahneneid zu brechen, sondern in der Absicht das
kleine Heer dem Landesherrn zu erhalten beschlossen sie das Aergste was
der Soldat verschulden kann, den Uebergang in offener Feldschlacht. In
der Gegend von Paunsdorf und Sellerhausen schlossen sich etwa 3000
Mann der sächsischen Truppen an die Nordarmee an; mit ihnen eine