Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Eroberung von Holland. 529 
sie frei gewähren ließ. General Oppen erstürmte das feste Doesborgh, 
das Kolbergische Regiment und die Königin Dragoner, die alten Ansbach— 
Bayreuther, flochten sich ein neues Blatt in ihren Lorbeerkranz. Dann 
ward auch Arnheim mit stürmender Hand genommen, der Uebergang über 
den Rhein und die Maas erzwungen, Herzogenbusch mußte seine Thore 
öffnen, und abermals, wie in den Tagen des großen Kurfürsten, war 
Frankreichs Machtstellung in den Niederlanden durch Preußens Waffen 
in Stücke geschlagen. Erst vor den Mauern von Antwerpen kam Bülow's 
reißender Siegeszug in's Stocken. Hier befehligte Carnot; der unbeug— 
same Republikaner hatte seinen Parteihaß hochherzig bezwungen um des 
Vaterlandes willen und behauptete sich in dem wichtigen Platze standhaft 
bis zum Friedensschlusse. 
Die klugen Holländer verstanden das Glück an der Locke zu fassen. 
Die Mitglieder der alten Aristokratie, die Altregenten, hatten schon seit 
Jahren die Wiederherstellung des Staates vorbereitet. Auf ihren Wink 
erhob sich das Volk von Amsterdam, sobald die ersten Kosakenschwärme 
sich an der Grenze zeigten, und hißte die Orangeflagge auf (15. Nov.). 
Die französischen Beamten flohen, die Truppen zogen sich in die festen 
Plätze. Die Altregenten bildeten eine provisorische Regierung und riefen 
den Prinzen von Oranien zurück. Ueberall erklang das alte Oranje 
boven! und das neue: Met Willem komt de vrede! So konnte denn das 
unkriegerische Handelsvolk mit einigem Scheine behaupten, das Land habe 
sich selbst befreit, obgleich die Blutarbeit der Eroberung allein den Preußen 
und Russen überlassen wurde. 
Da Jedermann wußte, daß Oesterreich sich Belgiens zu entledigen 
wünschte, so war der Plan, die beiden Hälften der alten Niederlande zu 
vereinigen, bereits mehrmals während der Coalitionskriege besprochen 
worden; schon im Jahre 1794 hatte der Rathspensionär v. d. Spiegel 
diesen Vorschlag vertheidigt. Der Gedanke lag in der Luft, er ergab sich 
von selbst aus dem Ideengange jener alten diplomatischen Schule, die 
ohne Verständniß für das historische Leben ihre Staatengebilde allein nach 
den Rücksichten der geographischen Lage und Abrundung zurechtzuschneiden 
pflegte. Mit Eifer nahm die englische Handelspolitik jetzt den alten Ge- 
danken auf. Die Briten hatten das holländische Colonialreich erobert und 
wollten aus der reichen Beute die für die indische Herrschaft wichtigsten 
Plätze, Ceylon und das Cap, mitsammt der holländischen Flotte und einem 
Theile von Guyana behalten. Nach den Anschauungen des achtzehnten 
Jahrhunderts war das herrenlose Deutschland selbstverständlich verpflichtet 
den Holländern diesen Verlust zu ersetzen; die Befestigung der englischen 
Seeherrschaft sollte durch den burgundischen Kreis des deutschen Reichs 
bezahlt werden. Und wie nun überall die gute alte Zeit zurückzukehren 
schien, so lebten auch die wilhelminischen Ueberlieferungen, die Erinnerungen 
an das langlebige Bündniß der beiden Seemächte wieder auf. England 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. 1. 34
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.