Eroberung von Holland. 529
sie frei gewähren ließ. General Oppen erstürmte das feste Doesborgh,
das Kolbergische Regiment und die Königin Dragoner, die alten Ansbach—
Bayreuther, flochten sich ein neues Blatt in ihren Lorbeerkranz. Dann
ward auch Arnheim mit stürmender Hand genommen, der Uebergang über
den Rhein und die Maas erzwungen, Herzogenbusch mußte seine Thore
öffnen, und abermals, wie in den Tagen des großen Kurfürsten, war
Frankreichs Machtstellung in den Niederlanden durch Preußens Waffen
in Stücke geschlagen. Erst vor den Mauern von Antwerpen kam Bülow's
reißender Siegeszug in's Stocken. Hier befehligte Carnot; der unbeug—
same Republikaner hatte seinen Parteihaß hochherzig bezwungen um des
Vaterlandes willen und behauptete sich in dem wichtigen Platze standhaft
bis zum Friedensschlusse.
Die klugen Holländer verstanden das Glück an der Locke zu fassen.
Die Mitglieder der alten Aristokratie, die Altregenten, hatten schon seit
Jahren die Wiederherstellung des Staates vorbereitet. Auf ihren Wink
erhob sich das Volk von Amsterdam, sobald die ersten Kosakenschwärme
sich an der Grenze zeigten, und hißte die Orangeflagge auf (15. Nov.).
Die französischen Beamten flohen, die Truppen zogen sich in die festen
Plätze. Die Altregenten bildeten eine provisorische Regierung und riefen
den Prinzen von Oranien zurück. Ueberall erklang das alte Oranje
boven! und das neue: Met Willem komt de vrede! So konnte denn das
unkriegerische Handelsvolk mit einigem Scheine behaupten, das Land habe
sich selbst befreit, obgleich die Blutarbeit der Eroberung allein den Preußen
und Russen überlassen wurde.
Da Jedermann wußte, daß Oesterreich sich Belgiens zu entledigen
wünschte, so war der Plan, die beiden Hälften der alten Niederlande zu
vereinigen, bereits mehrmals während der Coalitionskriege besprochen
worden; schon im Jahre 1794 hatte der Rathspensionär v. d. Spiegel
diesen Vorschlag vertheidigt. Der Gedanke lag in der Luft, er ergab sich
von selbst aus dem Ideengange jener alten diplomatischen Schule, die
ohne Verständniß für das historische Leben ihre Staatengebilde allein nach
den Rücksichten der geographischen Lage und Abrundung zurechtzuschneiden
pflegte. Mit Eifer nahm die englische Handelspolitik jetzt den alten Ge-
danken auf. Die Briten hatten das holländische Colonialreich erobert und
wollten aus der reichen Beute die für die indische Herrschaft wichtigsten
Plätze, Ceylon und das Cap, mitsammt der holländischen Flotte und einem
Theile von Guyana behalten. Nach den Anschauungen des achtzehnten
Jahrhunderts war das herrenlose Deutschland selbstverständlich verpflichtet
den Holländern diesen Verlust zu ersetzen; die Befestigung der englischen
Seeherrschaft sollte durch den burgundischen Kreis des deutschen Reichs
bezahlt werden. Und wie nun überall die gute alte Zeit zurückzukehren
schien, so lebten auch die wilhelminischen Ueberlieferungen, die Erinnerungen
an das langlebige Bündniß der beiden Seemächte wieder auf. England
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. 1. 34