Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Der König der Bettler. 45 
Gebot der Selbsterhaltung; sie führten mit Stolz den Namen „Könige 
der Bettler", den ihnen Frankreichs Hohn ersann. Die Krone verbot 
das Auskaufen der Bauerngüter, das in Mecklenburg und Schwedisch- 
Pommern dem Adel die Alleinherrschaft auf dem flachen Lande ver- 
schaffte; sie rettete den ländlichen Mittelstand vom Untergange, und seit 
Friedrich Wilhelm I. arbeitete eine durchdachte Agrargesetzgebung an der 
Entfesselung des Landvolkes. Der König wünschte die Erbunterthänigkeit 
aufzuheben, allen bäuerlichen Besitz in freies Grundeigenthum zu ver- 
wandeln; schon im Jahre 1719 sprach er aus, „was es denn für eine 
edle Sache sei, wenn die Unterthanen statt der Leibeigenschaft sich der 
Freiheit rühmen, das Ihrige desto besser genießen, ihr Gewerbe und 
Wesen mit um so mehr Begierde und Eifer als ihr eigenes treiben."“ 
Diesen Herzenswunsch der Krone zu erfüllen blieb freilich noch auf lange 
hinaus unmöglich; zu leidenschaftlich war der Widerspruch des mächtigen 
Adels, der schon die Aufhebung des Lehenswesens als eine Kränkung 
empfand, zu zähe das stille Widerstreben der rohen Bauern selber, die 
jede Aenderung des Hergebrachten mit Argwohn betrachteten. Aber stetig 
und unaufhaltsam hat sich der König seinem Ziele angenähert. Sein 
Prügelmandat schützte den Gutsunterthan vor Mißhandlung; die bäuer- 
lichen Dienste und Abgaben wurden erleichtert, die Auftheilung der Ge- 
meinheiten und die Zusammenlegung der Grundstücke begonnen, überall 
die Bahn gebrochen für die Befreiung der Scholle und der Arbeitskraft. 
Die Reformen Stein's und Hardenberg's konnten nur darum einen so 
durchschlagenden Erfolg erringen, weil sie vorbereitet waren durch die 
Gesetzgebung dreier Menschenalter. Bei dem Beamtenthum der Krone 
fand der kleine Mann Schutz gegen adlichen Uebermuth, sachkundigen 
Rath und unerbittlich strenge Aufsicht; kein Opfer schien dem sparsamen 
Könige zu schwer für das Beste seiner Bauern; die gesammte Staatsein- 
nahme eines vollen Jahres hat er aufgewendet um sein Schmerzenskind, 
das von Pest und Krieg verheerte Ostpreußen der Gesittung zurückzugeben, 
die weite Wüste an der Memel und dem Pregel mit fleißigen Arbeitern 
zu bevölkern. 
Der treuen Sorgfalt für das Wohl der Massen, nicht dem Glanze 
des Kriegsruhms dankten die Hohenzollern das in aller Noth und Ver- 
suchung unerschütterliche Vertrauen des Volkes zu der Krone. Zeiten der 
Erstarrung und Ermattung blieben dem preußischen Staate so wenig 
erspart wie anderen Völkern; sie erscheinen sogar in seiner Geschichte 
auffälliger, häßlicher als irgendwo sonst, weil immer tausend feindselige 
Augen nach seinen Schwächen spähten und der vielumkämpfte zu versinken 
drohte ohne die Spannkraft des Willens. Wer längere Zeiträume ruhig 
überblickt, kann gleichwohl das stetige Fortschreiten der Monarchie zur 
Staatseinheit und Rechtsgleichheit nicht verkennen. Wie die Bilder der 
Hohenzollern zwar nicht die geistlos eintönige Gleichheit habsburgischer
	        
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