542 I. 5. Ende der Kriegszeit.
noch vom Jahre 1792 in üblem Andenken standen. Nachher trat hartes
Frostwetter ein und zwang die Soldaten, die von den Bauern verlassenen
Häuser und Scheunen anzuzünden, wenn sie sich nur irgend wärmen wollten
in dem holzarmen Lande. Ein Unstern hatte die Armee gerade in den
häßlichsten Theil des schönen Frankreichs verschlagen; die Preußen meinten,
neben diesen öden Flächen erscheine die grüne Ebene der Mark wie ein
Garten, sie spotteten über die höhlenartigen, unwohnlichen Häuser mit den
gepflasterten Stuben und den rauchenden Kaminen. Doch ihr Sinn blieb
fröhlich; sie wußten, daß der sieggewohnte Alte sie geradeswegs nach der
Hauptstadt führte, zum glücklichen Ende aller Leiden und Kämpfe.
Ein unbändiges Selbstgefühl lebte in den tapferen Regimentern des
Bork'schen Corps; war doch den Litthauer Dragonern in diesem ganzen
Kriege noch keine einzige Attake fehlgeschlagen. Wer sollte den Heurichs
des alten Isegrimm etwas anhaben? An diesem Scherznamen, den die
Wälschen nicht nachsprechen konnten, erkannten die York'schen einander im
Dunkel der Nacht. Soeben erst war VYork mit seinen Reitern bei La
Chaussee in die Marschcolonnen des Macdonald'schen Corps eingebrochen,
und die Soldaten erzählten sich noch lange, wie die Eisenreiter der na-
poleonischen Kürassier= und Carabiniersregimenter dem Angriffe der leich-
ten brandenburgischen Husaren nicht hatten widerstehen können, wie dann
die Litthauer und die Landwehrreiter den gefürchteten Weißmänteln, den
polnischen Lanciers, der besten Reitertruppe Napoleon's, die Standarte
abgenommen hatten. Darauf hatte York seinen alten Vorgesetzten Macdo-
nald, den ein tückisches Schicksal immer wieder dem verhaßten Unterge-
benen in die Hände jagte, zum Abzuge aus Chalons gezwungen und sich
wieder mit dem schlesischen Heere vereinigt.
Die einzelnen Corps der Armee zogen weit von einander getrennt
westwärts. Gneisenau hatte nichts gethan um die linke Flanke zu sichern;
war doch mit Schwarzenberg verabredet, daß Wittgenstein's Corps die
Verbindung zwischen den beiden Armeen unterhalten, den weiten Raum
zwischen dem rechten Seineufer und der Marschlinie der Schlesier decken
sollte. Der Oberfeldherr aber hielt sein Versprechen nicht, sondern wen-
dete sich nach langsamen Märschen und wiederholter Rast südwärts auf
das linke Seineufer, so daß zwischen seinem und Blücher's Heere eine
weite Lücke offen blieb. Ein geheimer Befehl seines Monarchen zwang
ihn dann am 13. Februar auf dem linken Ufer der Seine zu verbleiben,
ein Befehl, der dem Erfolge nach einem Verrathe gleich kam?); der gute
Kaiser, dessen kindliche Unschuld die britischen Staatsmänner bewunder-
ten, wollte verhindern, daß ein Sieg der vereinigten Armeen die schwe-
benden Friedensverhandlungen störe.
*) [Aus dem Werke „Oesterreichs Theilnahme an den Befreiungskriegen“ (Wien
1887) S. 810 folg. scheint hervorzugehen, daß ein solcher Befehl nicht ergangen ist.
Vergl. auch Delbrück, Gneisenau 112 67.)