Friedrich II. 49
die Rede, der König stehe beständig mit gespanntem Hahn auf der Wacht
ohne jemals abzudrücken; und wenn den deutschen Mann im Reiche zu—
weilen eine stille Angst vor der Potsdamer Wachparade überkam, dann
tröstete ihn das Spottwort: So schnell schießen die Preußen nicht! —
Der Spott verstummte, als Preußen einen Herrscher fand, der mit
dem Sinne für das Mögliche, mit der glücklichen Nüchternheit der Hohen—
zollern die Kühnheit und den freien Blick des Genius vereinte. Der helle
Sonnenschein der Jugend strahlt über den Anfängen der fridericianischen
Zeit, da endlich nach langem Stocken und Zagen die zähe Masse der er—
starrten deutschen Welt wieder in Fluß gerieth und die mächtigen Gegensätze,
welche fie barg, in nothwendigem Kampfe sich maßen. Seit den Tagen
jenes Löwen aus Mitternacht hatte Deutschland nicht mehr das Bild eines
Helden gesehen, zu dem die gesammte Nation bewundernd emporblickte;
der aber jetzt in stolzer Freiheit, wie einst Gustav Adolf, mitten durch
die großen Mächte seines Weges schritt und die Deutschen zwang wieder
an die Wunder des Heldenthums zu glauben, er war ein Deutscher-
Der springende Punkt in dieser mächtigen Natur bleibt doch die
erbarmungslos grausame deutsche Wahrhaftigkeit. Friedrich giebt sich wie
er ist und sieht die Dinge wie sie sind. Wie in der langen Bändereihe
seiner Briefe und Schriften keine Zeile steht, darin er versuchte seine Thaten
zu beschönigen, sein eigenes Bild für die Nachwelt auszuschmücken, so trägt
auch seine Staatskunst, wenngleich sie die kleinen Künste und Listen des
Zeitalters als Mittel zum Zwecke nicht verschmäht, das Gepräge seines
königlichen Freimuths: so oft er zum Schwerte greift, verkündet er mit
unumwundener Bestimmtheit, was er von dem Gegner fordert, und legt
die Waffen erst nieder am erreichten Ziele. Seit er zum Denken erwacht,
fühlt er sich froh und stolz als den Sohn eines freien Jahrhunderts,
das mit der Fackel der Vernunft in die staubigen Winkel einer Welt
alter Vorurtheile und entgeisteter Ueberlieferungen hineinleuchtet; er läßt
sich das Bild des Sonnengottes, der siegreich durch die Morgenwolken
aufsteigt, an die Decke seines heiteren Rheinsberger Saales malen. Mit
der dreisten Zuversicht des Jüngers der Aufklärung tritt er an die Er-
scheinungen des historischen Lebens heran und prüft eine jede, wie sie
bestehe vor dem Urtheil des scharfen Verstandes. In den schweren Macht-
kämpfen der Staaten achtet er nur das Lebendige, nur die von rascher
Thatkraft klug benutzte Macht. „Unterhandlungen ohne Waffen sind
wie Noten ohne Instrumente", sagt er unbefangen, und auf die Nachricht
von dem Tode des letzten Habsburgers fragt er seine Räthe: „Ich gebe
Euch ein Problem zu lösen; wenn man im Vortheile ist, soll man sich
dessen zu nutze machen oder nicht?“ Die prahlerische Ohnmacht, die sich
als Macht gebärdet, das unsittliche Vorrecht, das mit der Heiligkeit des
historischen Rechts prunkt, die Thatenscheu, die ihre Rathlosigkeit hinter
leeren Formbedenken verbirgt, fanden niemals einen stolzeren Verächter;
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 4