Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

592 I. 5. Ende der Kriegszeit. 
stehende Heer anzuschließen. Nun gebot die Monarchie augenblicklich über 
viele tausende ausgedienter, kampfgewohnter Soldaten, desgleichen über 
eine Menge erprobter Offiziere, die wieder in das bürgerliche Leben 
zurücktraten; es war die denkbar günstigste Stunde zur Bildung einer 
kriegstüchtigen Landwehr. Die Natur der Dinge führte die Reorgani- 
satoren der Armee zurück zu jenen einfach großen Gedanken, von denen 
einst Scharnhorst ausgegangen und nur durch die Noth des Tages wieder 
abgedrängt worden war; sie erkannten, daß die stehende Armee die mili- 
tärische Schule für die gesammte Nation bilden, die Landwehr wesentlich 
aus ausgedienten Mannschaften bestehen müsse. Wie oft hatten Boyen, 
Gneisenau und Grolman einst mit Scharnhorst jede mögliche Form der 
Volksbewaffnung besprochen. Alle hier einschlagenden Fragen waren ihnen 
aus eingehenden Berathungen längst geläufig; hatte doch Boyen einst 
jahrelang die Organisation des Krümpersystems unmittelbar geleitet. Nur 
durch diese vieljährige Vorarbeit wird es erklärlich, daß die Commission 
ihre schwierigen Verhandlungen in wenigen Wochen beendigte und der 
König ebenso schnell den Vorschlägen seine Genehmigung ertheilte. 
Schon am 3. September 1814 erschien das Gesetz über die Ver- 
pflichtung zum Kriegsdienste, von dem Könige und sämmtlichen Ministern 
unterzeichnet — ein Grundgesetz des preußischen Staates, einer jener 
epochemachenden Acte der Gesetzgebung, welche mit siegreicher Beredsam- 
keit erweisen, daß alle Geschichte wesentlich politische Geschichte ist, daß 
die Historie nicht die Aufgabe hat einen Volta unter seinen Froschschenkeln 
zu beobachten oder aus den Funden der Topfgräber die Entwicklung der 
Lampen und der Trinkgeschirre nachzuweisen, sondern die Thaten der VBölker 
als wollender Personen, als Staaten, erforschen soll. Das Wehrgesetz von 
1814 hat die sittlichen und politischen Grundanschauungen der Preußen 
auf Generationen hinaus bestimmt, in alle ihre Lebensgewohnheiten tiefer 
eingegriffen als jemals eine wissenschaftliche Entdeckung oder eine tech- 
nische Erfindung. 
Das Gesetz begann, wie einst Scharnhorst's Entwurf, mit einer Wie- 
derholung jener monumentalen Worte Friedrich Wilhelm's I.: „jeder 
Eingeborene ist zur Vertheidigung des Vaterlandes verpflichtet;“ doch 
jetzt machte man unerbittlich Ernst mit der altpreußischen Regel. Der 
König erinnerte nochmals daran, wie die allgemeine Anstrengung seines 
treuen Volkes, ohne Ausnahme und Unterschied die Befreiung des Va- 
terlandes bewirkt und dem Staate seinen heutigen ehrenvollen Stand- 
punkt erworben hätte. Die Einrichtungen also, die diesen glücklichen 
Erfolg hervorgebracht und deren Beibehaltung die ganze Nation wünsche, 
sollten als Grundlage für alle Kriegseinrichtungen des Staates dienen, 
doch so daß die Fortschritte der Wissenschaften und Gewerbe nicht gestört 
würden; „denn in einer gesetzmäßig geordneten Bewaffnung der Nation 
liegt die sicherste Bürgschaft für einen dauernden Frieden.“ Statt der
	        
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