Friedrich's deutsche Politik. 53
geziehen, weil kein Vertrag und kein Bündniß ihn je vermochte auf das
Recht der freien Selbstbestimmung zu verzichten. Alle Höfe Europas
sprachen grollend vom travailler pour le roi de Prusse; von Altersher
gewohnt das deutsche Leben zu beherrschen vermochten sie kaum zu fassen,
daß sich endlich wieder die entschlossene Selbstsucht eines unabhängigen
deutschen Staates ihrem Willen entgegenstemmte. Der königliche Schüler
Voltaire's hat für den deutschen Staat dasselbe Werk der Befreiung be-
gonnen, das Voltaire's Gegner, Lessing, für unsere Dichtung vollführte.
Schon in seinen Jugendschriften verdammt er in scharfen Worten die
Schwäche des heiligen Reichs, das seine Thermopylen, das Elsaß dem
Fremdling geöffnet habe; er zürnt auf den Wiener Hof, der Lothringen
an Frankreich preisgegeben; er will es der Königin von Ungarn nie ver-
zeihen, daß sie die wilde Meute jener Grazien des Ostens, Jazygen,
Croaten und Tolpatschen auf das deutsche Reich losgelassen und die
moskowitischen Barbaren zum ersten male in Deutschlands innere Händel
herbeigerufen hat. Dann während der sieben Jahre entladet sich sein
deutscher Stolz und Haß oft in Worten grimmigen Hohnes. Den
Russen, die ihm seine neumärkischen Bauern ausplündern, sendet er den
Segenswunsch: „O könnten sie in's Schwarze Meer mit Einem Sprunge
sich versenken, köpflings, den Hintern hinterher, sich selber und ihr An-
gedenken.“ Und als die Franzosen das Rheinland überfluthen, da singt
er, freilich in französischer Sprache, jene Ode, die an die Klänge des
Befreiungskrieges gemahnt:
Bis in seine tiefste Quelle
Schäumt der alte Rhein vor Groll,
Flucht der Schmach, daß seine Welle
Fremdes Joch ertragen soll!
„Die Klugheit ist sehr geeignet zu bewahren was man besitzt, doch
allein die Kühnheit versteht zu erwerben“ — mit diesem Selbstgeständniß
hat Friedrich in seinen Rheinsberger Tagen verrathen, wie ihn sein
innerstes Wesen zu rascher Entschließung, zu stürmischer Verwegenheit
drängte. Nichts halb zu thun gilt ihm als die oberste Pflicht des Staats-
mannes, und unter allen denkbaren Entschlüssen scheint ihm der schlimmste
— keinen zu fassen. Doch er zeigt auch darin sein deutsches Blut, daß
er die feurige Thatenlust von frühauf zu bändigen weiß durch kalte,
nüchterne Berechnung. Der die Heldenkraft eines Alexander in sich fühlte,
beschied sich, das Dauernde zu schaffen in dem engen Kreise, darein ihn
das Schicksal gestellt. Im Kriege läßt er dann und wann seinem Feuer-
geiste die Zügel schießen, fordert das Unmögliche von seinen Truppen und
fehlt durch die stolze Geringschätzung des Feindes; als Staatsmann be-
währt er immer eine vollendete Mäßigung, eine weise Selbstbeschränkung,
die jeden abenteuerlichen Plan sogleich an der Schwelle abweist. Keinen
Augenblick bethört ihn der Gedanke seinen Staat loszureißen von dem
verfallenen deutschen Gemeinwesen; die Reichsstandschaft beengt ihn nicht