54 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden.
in der Freiheit seiner europäischen Politik, sie gewährt ihm das Recht
einzugreifen in die Geschicke des Reichs, darum will er den Fuß im
Bügel des deutschen Rosses behalten. Noch weniger kommt ihm bei,
selber nach der Kaiserkrone zu greifen. Seit den Weissagungen der Hof-
astrologen des großen Kurfürsten blieb in der Umgebung der Hohenzollern
immer die dunkle Ahnung lebendig, daß diesem Hause bestimmt sei der-
einst noch Scepter und Schwert vom heiligen Reiche zu tragen; die
Heißsporne Leopold von Dessau und Winterfeldt vermaßen sich zuweilen
ihren königlichen Helden als den deutschen Augustus zu begrüßen. Der
aber wußte, daß sein weltlicher Staat die römische Krone nicht tragen
konnte, daß sie den Emporkömmling unter den Mächten in aussichtslose
Händel verwickeln mußte, und meinte trocken: „für uns wäre sie nur
eine Fessel."
Als er kaum den Thron bestiegen, trat jene große Wendung der
deutschen Geschicke ein, welche schon Pufendorf's Seherblick als die einzig
mögliche Gelegenheit zu einer durchgreifenden Reichsreform bezeichnet hatte.
Das alte Kaiserhaus starb aus, und vor den flammenden Blicken des
jungen Königs, der die einzige fest geordnete Kriegsmacht Deutschlands
in seinen Händen hielt, erschloß sich eine Welt von lockenden Aussichten,
die einen minder tiefen, minder gesammelten Geist zu überschwänglichen
Träumen begeistern mußte. Friedrich fühlte lebhaft den schweren Ernst
der Stunde; „Tag und Nacht"“, so gestand er, „liegt mir das Schicksal des
Reichs auf dem Herzen, ich allein kann und soll es jetzt aufrecht halten."
Das stand ihm fest, daß dieser große Augenblick nicht verfliegen durfte,
ohne dem preußischen Staate die volle Freiheit der Bewegung, einen
Platz im Rathe der großen Mächte zu schenken; doch er ahnte auch, wie
unberechenbar, bei der Begehrlichkeit der ausländischen Nachbarn, bei der
rathlosen Zwietracht des Reichs, die Lage Deutschlands sich verwirren
mußte, sobald die Monarchie der Habsburger in Trümmer fiel. Darum
will er Oesterreich schonen und begnügt sich aus der Masse der längst
bedachtsam erwogenen alten Ansprüche seines Hauses den einen wichtigsten
hervorzuholen. Allein, ohne die lauernden fremden Mächte nur eines
Wortes zu würdigen, in überwältigendem Ansturm bricht er in Schlesien
ein. Das an die feierlichen Bedenken und Gegenbedenken seiner Reichs-
juristen gewöhnte Deutschland empfängt mit Erstaunen und Entrüstung
die Lehre, daß die Rechte der Staaten nur durch die lebendige Macht
behauptet werden. Dann erbietet sich der Eroberer, dem Gemahl Maria
Theresia's die Kaiserkrone zu verschaffen und für den Bestand Oester-
reichs gegen Frankreich zu fechten. Erst der Widerstand der Hofburg
treibt ihn weiter, zu umfassenden Plänen der Reichsreform, die an
Waldeck's verwegene Träume erinnern. ·
Nicht Friedrich hat den deutschen Dualismus geschaffen, wie Mit—
und Nachwelt ihm vorwarf; der Dualismus bestand seit Karl V., und