646 II. 1. Der Wiener Congreß.
Ausstattung bedarf; darum unbeschränkte Souveränität für die deutschen
Staaten, Achtung vor der individualité nationale der Sachsen, der
Baiern und der anderen deutschen Völker; „dann wird eine freie und
starke Conföderation die französischen Waffen auf immer von den Waffen
Oesterreichs und Preußens trennen.“
Der Rheinische Mercur trat dem vollstimmigen Chor der Rhein—
bündler tapfer entgegen und ward darum von den Journalisten Mont—
gelas' der Thersites unter den deutschen Zeitschriften gescholten. Görres
warnte in seiner bilderreichen Sprache vor den Basiliskeneiern des galli—
schen Hahnes. Doch ein sicheres Verständniß der großen Machtfrage war
selbst in diesen Kreisen nicht vorhanden. Der Mercur öffnete seine Spalten
nicht nur den Freunden, sondern auch den gemäßigten Gegnern der preu—
ßischen Ansprüche. Zu diesen zählte auch Jacob Grimm, der hochbeglückt
durch die Rückkehr seines hessischen Kurfürsten den Sachsen die gleiche
Freude nicht mißgönnen wollte. Ein gefühlvoller Artikel bat die Söhne
Germaniens um Schonung für Sachsen, „den geistigeren Bruder, der
allein studirt hat“ — als ob dieser Bruder nicht auch unter preußischer
Herrschaft ungestört hätte weiter studiren können! Die literarische Ver—
theidigung der preußischen Politik ward im Ganzen nur von solchen Män—
nern geführt, welche der Regierung nahe standen. Auf Veranlassung des
Staatskanzlers erschien eine Flugschrift von Varnhagen, oberflächlich wie
Alles was dieser politische Dilettant in Staatssachen geschrieben hat, voll
hohler Phrasen über „den Geist der Liberalität, der über Preußens Be—
strebungen schwebt“. Ernster und würdiger sprachen Arndt, Eichhorn und
J. G. Hoffmann. Die Schrift des wackeren Statistikers „Preußen und
Sachsen“ giebt mit ihrer ruhig bescheidenen Haltung eine beredte Antwort
auf die modischen Anklagen wider den preußischen Uebermuth. Niemals,
sagt Hoffmann gelassen, sei Preußen so einstimmig von der deutschen Welt
geschmäht worden wie in den Tagen der Stein-Hardenbergischen Gesetze;
gleichwohl müsse das Gute in dem Staate doch wohl überwiegen, da die
Nation für die Wiederaufrichtung eines so verrufenen Gemeinwesens so
unvergeßliche Opfer gebracht habe. Die kühle und sachliche Darstellung
der Schuld des gefangenen Königs erregte in Friedrichsfelde solche Er—
bitterung, daß der sächsische Minister Graf Einsiedel sich erdreistete von
der preußischen Regierung das Verbot der Hoffmann'schen Schrift zu ver—
langen; selbstverständlich ward ihm seine Note zurückgegeben.
Weitaus das bedeutendste Werk aus diesem Federkriege ist Barthold
Niebuhr's Flugschrift „Preußens Recht wider den sächsischen Hof“ — wohl
überhaupt die vornehmste Leistung der deutschen Publicistik aus jenem Zeit—
raum, denn sie vereinigt Arndt's edle Leidenschaft und rhetorischen Schwung
mit dem Gedankenreichthum und der politischen Sachkenntniß von Fried—
rich Gentz. Wie frei und kühn entwickelt der große Historiker zwei Kern—
gedanken unserer nationalen Politik, welche noch niemals früher mit solcher