Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

666 I. 1. Der Wiener Congreß. 
tretung des Landes nöthigen, da doch Preußen von der dänischen Krone 
nicht das Mindeste zu fordern hatte? Gleichwohl hat Hardenberg die 
wichtige Erwerbung ermöglicht durch gewandte Benutzung der wirren— 
reichen Streitigkeiten, welche die skandinavische Welt erschütterten. 
Um die Dänen in Güte zur Abtretung von Vorpommern zu be— 
wegen, mußte man zunächst mit dem unbequemen kleinen Nachbarn wieder 
in freundlichen Verkehr treten. Es bezeichnet Hardenberg's finassirende 
Art, daß er ganz unbedenklich am 25. August 1814 mit Dänemark zu 
Berlin Frieden schloß. Die Witzbolde bespöttelten den Hardenbergischen 
Familienfrieden; der Staatskanzler unterzeichnete für Preußen, sein dem 
Vater ganz entfremdeter Sohn Graf Hardenberg-Reventlow für Däne- 
mark. Der Vertrag enthielt, da die beiden Mächte kaum ernstlich gegen 
einander gefochten hatten, nur die einfache Bestätigung des Kieler Frie- 
dens und die Wiederholung der dort gegebenen Zusage, daß Dänemark 
für Norwegen, außer Schwedisch-Pommern, noch weitere Entschädigungen 
erhalten sollte. Doch behielt sich Preußen vor, Ersatz zu verlangen für 
die Verluste, welche seine Flagge durch die dänischen Kaper erlitten hatte. 
Von Helgoland, das der Kieler Friede endgiltig an England gegeben 
hatte, ist weder bei diesen Berliner Verhandlungen noch später auf dem 
Wiener Congresse irgend die Rede gewesen. Man hatte kein Recht, die 
Insel für Deutschland zu fordern, da sie nie zum alten Reiche gehörte; 
die binnenländische Beschränktheit der deutschen Politik wußte den Werth 
des Platzes nicht zu würdigen, der doch soeben erst, in den Tagen der 
Continentalsperre, seine Bedeutung für den deutschen Handel gezeigt hatte. 
Die allgemeine Begeisterung für das großmüthige Albion fand kein Arg 
daran, daß sich England in aller Stille ein kleines norddeutsches Gibral- 
tar gründete. 
Im Vertrauen auf diese Verträge kam der König von Dänemark 
nach Wien und hoffte dort, außer Vorpommern auch noch Lübeck und Ham- 
burg oder mindestens das Fürstenthum Lübeck zu gewinnen. Er wurde 
der Bruder Lustig der erlauchten Gesellschaft, man lachte viel über seine 
drolligen Matrosenspäße; doch seine Politik fand nirgend Unterstützung, 
der getreue Bundesgenosse Napoleon's stand unter den Staatsmännern 
der Legitimität ganz vereinsamt. Lord Castlereagh meinte sich nicht ver- 
pflichtet, dem kleinen Staate, welchen England zweimal räuberisch überfallen 
hatte, jetzt wenigstens das gegebene Wort zu halten. Der Dänenkönig 
erreichte nur den Fortbestand des Sundzolles, allerdings ein werthvolles 
Zugeständniß für die dänischen Finanzen. Als ihm Metternich beim Ab- 
schiede zurief: Sire, vons emportez tous les coeurs! — gab der Be- 
trogene seufzend zur Antwort: mais pas une seule äme. Währenddem 
war auch Vorpommern den Dänen verloren gegangen. Die Norweger, 
geführt von ihrem Statthalter, dem dänischen Prinzen Christian, hatten 
sich dem Kieler Frieden widersetzt, ihrem Lande eine selbständige Verfassung
	        
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