Neuvorpommern. 667
gegeben und den Statthalter zum König erwählt; darauf war Bernadotte
mit seinen Schweden eingerückt, bis nach einem Feldzuge von vierzehn
Tagen Prinz Christian in dem Vertrage von Moß (14. August 1814)
seine Ansprüche aufgab. Durch Verhandlungen zwischen der Krone Schwe—
den und dem norwegischen Storthing wurde nachher die Vereinigung der
beiden Königreiche der Halbinsel herbeigeführt. Noch heute bleibt es dunkel,
wie weit die berufene dänische Treue bei jener Erhebung der Norweger
mitgewirkt hat. Jener schlaue Franzose aber, der Schwedens Geschicke
leitete, wollte natürlich an der Mitschuld des Kopenhagener Hofes nicht
zweifeln; er erklärte, der Kieler Friede sei durch Dänemark gebrochen,
darum könne auch Vorpommern nicht ausgeliefert. werden.
Es war sicherlich nicht an Preußen, den unparteiischen Richter zu
spielen in diesen unerquicklichen Händeln der nordischen Mächte; die na—
tionale Politik gebot, den Streit der Fremden um das deutsche Land zu
Deutschlands Vortheil auszubeuten und die verlorene Mark dem Vater—
lande zurückzubringen. Eine Aufgabe, wie geschaffen für Hardenberg's
schmiegsame Gewandtheit. Oesterreich und Frankreich, in früheren Zeiten
die hartnäckigsten Feinde der pommerschen Politik der Hohenzollern, ver-
hielten sich diesmal zum Glück ganz gleichgiltig. Der Staatskanzler ver-
ständigte sich zunächst mit Schweden. Bernadotte war bereit, seine An-
sprüche auf Vorpommern gegen eine Summe Geldes an Preußen abzutreten;
am 13. Mai 1815 berichtete Münster dem Prinzregenten als unzweifelhaft,
daß Preußen und Schweden schon längst handelseinig seien. Also gegen
Schweden gedeckt, rückte Hardenberg mit seinen Ansprüchen gegen die dä-
nischen Kaper heraus und versuchte auch die Dänen zum Verzicht auf
Vorpommern zu bewegen. Dies war nur möglich, wenn man ihnen
einen Ersatz an Land und Leuten bot; denn Dänemark hatte unzweifelhaft
das bessere Recht auf Vorpommern. Auf der weiten Welt ließ sich aber
nur ein Land finden, das man den Dänen vielleicht zum Ersatze bieten
konnte: das Herzogthum Lauenburg rechts der Elbe. Welche Zumuthung:
für die 75 Geviertmeilen des reichen Vorpommerns 19 in Lauenburg; für
die Seefestung Rügen, für das prächtige Stralsund und die Greifswalder
Hochschule bloß — das Grab Till Eulenspiegel's und zwei Drittel der
guten Stadt Ratzeburg, denn ihr Domhof gehörte dem Strelitzer Vater-
lande! Nur die Bedrängniß des von allen Seiten bedrohten Kopenhagener
Cabinets ließ es möglich scheinen, daß Dänemark auf einen so ungleichen
Tausch eingehen würde, der ihm nur den einen Vortheil bot das hol-
steinische Gebiet abzurunden.
Lauenburg war aber ein rechtmäßiges Besitzthum des hannoverschen
Hauses, und so hing denn die Erwerbung Vorpommerns von einer Ver-
ständigung mit den Welfen ab, denen Preußen überdies noch die in
Reichenbach ausbedungene Vergrößerung um 250—300,000 Seelen schul-
dete. Daß Hildesheim zu dieser Entschädigung verwendet werden sollte