Particularistische Schriften. 681
verwandelt und schrieb jetzt, ganz im Geiste der Karlsruher Rheinbunds—
gesinnung, einen „Entwurf zu dem Grundvertrage des deutschen Staaten—
bundes“. Keine Rede mehr von der tausendjährigen Geschichte der
deutschen Nation; die souveränen Fürsten Deutschlands können sich nur
zum Zwecke der Sicherung der inneren Ruhe und zur Vertheidigung
gegen das Ausland verbinden; in allen anderen Angelegenheiten gilt das
liberum veto, dergestalt, daß Bundesbeschlüsse nur die Zustimmenden
verpflichten. Ueber diesem Chaos steht ein Bundestag in Wien, geleitet
von dem Protector Oesterreich und dem Erzkanzler Preußen. Noch deut—
licher sprach jener Gehilfe Münster's, Sartorius in einer Flugschrift, die
einen Sonderbund aller Mittel- und Kleinstaaten empfahl. Das Aeußerste
leistete ein in der diplomatischen Welt insgeheim verbreitetes Schriftchen
„Zum Wiener Congreß“, das wahrscheinlich mit La Besnardiere's Beihilfe
verfaßt war: hier ward ungescheut die Wiederherstellung des Rheinbundes
für den Süden und Westen angerathen, der Norden mochte sich an Preußen
halten. Aber auch ein wohlgemeintes patriotisches Buch („Ideen über
die Bildung eines freien germanischen Staatenbundes“) verlangte die
Bildung einer Föderation der Kleinstaaten unter Baierns Führung. Der
Verfasser war wahrscheinlich der Leipziger Buchhändler Baumgärtner,
Generalconsul des Königs von Preußen. Die unglaubliche Begriffsver—
wirrung der beiden nächsten Jahrzehnte kündigte sich schon an in der
charakteristischen Thatsache, daß sogleich nach dem Befreiungskriege ein
wackerer, verständiger Deutscher in aller Unschuld den preußischen Staat
als eine halbfremde Macht behandeln konnte!
Die altpreußischen Provinzen verhielten sich gänzlich schweigsam in
diesem Federkriege. Die Natur forderte ihre Rechte nach der krampfhaften
Anspannung des ungleichen Kampfes; manche der Einsichtigen fühlten
wohl auch, daß der Traum des preußischen Kaiserthums, der in den
Kreisen der Freiwilligen so oft besprochen worden, für jetzt ganz unmög—
lich blieb. Nur in den Deutschen Blättern des wackeren Leipziger Buch—
händlers F. A. Brockhaus ward einmal eine Stimme laut, die den An—
sprüchen Preußens einigermaßen gerecht wurde. Ein Artikel „Tantae
molis erit Germanam condere gentem“ zeigte mit einer damals uner-
hörten Nüchternheit: für den Einheitsstaat, der unser Ziel bleiben müsse,
sei der rechte Augenblick noch nicht gekommen; von der Erneuerung der
alten sogenannten freien Föderativverfassung könne man aber nichts An-
deres erwarten als die Wiederkehr jener elenden Zeiten, da Deutschland
„das allgemeine Wirths-, Werb= und Hurenhaus von ganz Europa war."“
Vorderhand bleibe den Deutschen lediglich die Aufgabe, den Ausbau der
Freiheit im Innern zu sichern, und in dieser Hinsicht biete nur ein Staat
Grund zur Hoffnung: Preußen. Der also schrieb wagte noch kaum
zwischen den Zeilen anzudeuten, daß er von Preußen dereinst auch die
Vollendung der nationalen Einheit erwartete.