696 II. 1. Der Wiener Congreß.
Also quälten die treuen Patrioten sich ab an der hoffnungslosen
Arbeit. Preußen allein unter allen deutschen Staaten betrieb das deutsche
Verfassungswerk mit nachhaltigem Eifer; seine Staatsmänner wiesen jetzt
auch den einzigen Weg, der noch mindestens zu einer nothdürftigen Ver-
ständigung führen konnte. Seine Politik zeigte sich in Allem rechtschaffen
und ohne Hintergedanken, namentlich auch den Mediatisirten gegenüber,
die es wiederholt dankbar aussprachen, daß sie allein an der preußischen
Krone einen großmüthigen Beschützer fänden.)
Um die Sache nur rasch wieder in Gang zu bringen, beschlossen die
preußischen Staatsmänner am 2. Februar, das einzige was fertig vor-
lag, jene beiden Humboldt'schen Entwürfe vom December, an den öster-
reichischen Minister zu übersenden. In einer begleitenden Note wieder-
holten sie nochmals alle die in Humboldt's vertraulichen Denkschriften
ausgesprochenen Bedenken für und wider die Kreisverfassung und erboten
sich bereitwillig zu jeder Abänderung — mit einziger Ausnahme jener
drei unantastbaren Punkte: Kriegsgewalt, Bundesgericht und landständische
Verfassungen. Durch diese entgegenkommende Haltung hofften sie um so
sicherer eine rasche Verständigung mit der Hofburg zu erreichen, da ja
Humboldt's beide Entwürfe nichts weiter enthielten als eine gründlichere
Ausarbeitung jener Zwölf Artikel, welche Metternich selbst im October
dem Fünfer-Ausschuß mit vorgelegt hatte. Sehr willkommen war es
ihnen daher, daß sich im nämlichen Augenblicke auch der Verein der
deutschen Fürsten und Städte wieder rührte. Durch den Zutritt Badens
und einiger Kleinen bis auf zweinnddreißig Mitglieder verstärkt, bat er
am 2. Februar die beiden führenden Mächte um schleunige Eröffnung
der Berathungen Aller. Hardenberg und Humboldt erklärten sich sofort
bereit, und da auch Metternich zustimmte, so ließen sie nunmehr, am
10. Februar, ihre Note mit den beiden Denkschriften an das österreichische
Cabinett abgehen.
Aber der österreichische Staatsmann, der im Herbst so gefällig mit
Preußen zusammengegangen war, fand jetzt der Bedenken kein Ende: er
hatte während der sächsischen Händel die Mittelstaaten als brauchbare
Bundesgenossen gegen den norddeutschen Nebenbuhler schätzen gelernt und
wollte durchaus Alles vermeiden was ihren Souveränitätsdünkel verletzen
konnte. Wie man sich in der Hofburg den Deutschen Bund vorstellte,
das hatte Freiherr von Wessenberg schon im December in einem neuen
Bundesplane verrathen. Es war bereits der fünfte Entwurf, der in dieser
trostlosen Verhandlung zur Sprache kam. Dies geistlose Machwerk lud
die deutschen Staaten ein, sich nach Gefallen einem Bunde anzuschließen,
der die gemeinsame äußere und innere Sicherheit erhalten sollte; wer
*) Graf Solms-Laubach an Hardenberg, 4. April 1815, und viele andere ähnliche
Eingaben.