728 II. 2. Belle Alliance.
neigung und zeigte so üblen Willen, daß ihn Gneisenau, sicher mit Unrecht
französischer Sympathien beschuldigte. Baares Geld, woran Wellington
Ueberfluß hatte, fehlte den Preußen gänzlich; schon seit anderthalb Mo—
naten war der Armee kein Sold bezahlt worden. Der treffliche General—
intendant Ribbentrop wußte keinen Rath mehr. Blücher schrieb dem
Staatskanzler zornig: „der niederländische König ist der ungefälligste,
heimlichste, interessirteste Mensch.““) Um der dringendsten Noth abzuhelfen,
stellte er eigenmächtig Wechsel aus, die von den Elberfelder Kaufleuten
auf seinen großen Namen hin bezahlt wurden. Seine Truppen mußte
er vorläufig von den Bauern verpflegen lassen und ebendeshalb weiter
als räthlich war im Norden der Maas und Sanbre zwischen Fleurus,
Namur, Cinay und Hannut zerstreuen. Alle diese Sorgen fochten ihn in
seiner Siegeszuversicht gar nicht an. Auf den ersten Blick durchschaute er
die innere Schwäche des neuen Kaiserreichs: „die Nation ist bei Weitem nicht
so vor Bonaparte portirt wie die französischen Blätter es ausposaunen.“
Er sagte mit prophetischer Sicherheit voraus, daß die Entscheidung hier
auf dem belgischen Kriegsschauplatze fallen werde. „Beendigen wir den
Krieg glücklich“, schrieb er dem Staatskanzler, „so gerathen alle großen
Herren in meine Schuld; und gut soll und wird es gehen, denn die
große Macht, so sich die Sicherheitscommissarien von Bonaparte träumen,
ist ein Hirngespinnst. Es fehlt ihm an Allem und besonders hat er das
Zutrauen zu sich selbst und seinem Anhang verloren.“**)
Auch über die Forderungen, welche Deutschland nach dem Siege an
die Franzosen zu stellen habe, war Blücher von Haus aus mit sich im
Reinen; „ich hoffe“, so schrieb er schon zu Anfang Mai, „dieser Krieg wird
sich so endigen, daß Frankreich in Zukunft Deutschland nicht mehr so
gefährlich sein wird. Elsaß und Lothringen müssen sie hergeben.“ Und
wunderbar, derselbe Mann, in dem sich der nationale Stolz und Haß
des norddeutschen Volkes verkörperte, war zugleich ein Kosmopolit im
edelsten Sinne. Es wird in alle Zukunft eine stolze Erinnerung für
unsere Nation bleiben, wie jener weitherzige deutsche Weltbürgersinn, der
bisher nur unserer Bildung zu Gute gekommen, für unser Staatsleben ein
Fluch gewesen war, jetzt einmal unter höchst außerordentlichen Verhält-
nissen auch politisch fruchtbar wurde und Deutschlands Feldherren be-
fähigte europäische Politik großen Stiles zu treiben. In Blücher's Augen
war dieser Kampf ein heiliger Krieg der verbrüderten Völker Europas
für die gemeinsame Freiheit, und nichts schien ihm selbstverständlicher als
daß der Bruder für den Bruder einstehen müsse bis zum letzten Bluts-
tropfen. Mit einer rückhaltlosen Selbstvergessenheit, deren schlechterdings
nur der deutsche Idealismus fähig war, erklärte er sich bereit alle Kräfte
*) Blücher an Hardenberg, Namur 27. Mai 1815.
**) Blücher an Hardenberg, Namur 2. Juni 1815.