66 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden.
hoffärtigen Mißachtung fremden Rechtes und fremden Volksthums, welche
die Polen vor allen Nationen Europas auszeichnet. Noch rühriger als
vordem in Schlesien mußte hier der neue Herrscher schalten, um in den
alten ehrenreichen Städten deutschen Kriegsruhms und Bürgerfleißes, in
Schwetz, Culm und Marienburg deutsches Wesen wieder zu Ehren zu
bringen, die ersten Anfänge wirthschaftlichen Verkehrs wieder über das
gänzlich verödete flache Land zu leiten. Und wie einst die ersten deutschen
Eroberer die Kornkammer der Werder den Strömen entrissen, so stieg
jetzt aus den Sümpfen neben dem aufblühenden Bromberg der fleißige
Netzegau empor, die Schöpfung des zweiten Eroberers. Friedrich selber
ahnte nur dunkel, was die Wiedererwerbung des Ordenslandes in dem
großen Zusammenhange der deutschen Geschichte bedeutete; der Nation
aber war ihr eigenes Alterthum fremd geworden, sie wußte kaum noch,
daß diese Gauen jemals deutsch gewesen. Die Einen verdammten mit
dem herben Dünkel des Sittenrichters das zweideutige diplomatische Spiel,
das den Heimfall des Landes vorbereitet hatte; Andere wiederholten gläubig,
was Polens alte Bundesgenossen, die Franzosen erdichteten um die Thei—
lungsmächte zu brandmarken; die Meisten blieben kalt und befestigten sich
nmur von Neuem in der landläufigen Meinung, daß der alte Fritz den
Teufel im Leibe habe. Für die neue Wohlthat, die er unserem Volke
erwiesen, dankte ihm Niemand im Reiche.
Der unruhige Ehrgeiz Kaiser Joseph's II. führte den König am Abend
seines Lebens zu den Ideen der Reichspolitik zurück, welche seine Jugend
beschäftigt hatten. Der Wiener Hof gab die conservative Haltung auf,
welche dem Kaiserhause allein noch Ansehen im Reiche sichern konnte, und
unternahm sich in Baiern für den Verlust von Schlesien zu entschädigen;
der ganze Verlauf der österreichischen Geschichte seit zweihundert Jahren,
das stetige Hinauswachsen des Kaiserstaates aus dem Reiche sollte durch
einen abenteuerlichen Einfall urplötzlich zum Rücklaufe gebracht werden.
Da schloß König Friedrich zum zweiten male seinen Bund mit den Wittels-
bachern und verbot dem Hause Oesterreich mit dem Schwerte, seine Macht
auf deutschem Boden zu erweitern; scharf und klar wie niemals früher
trat der Gegensatz der beiden Nebenbuhler an den Tag. Der bairische
Erbfolgekrieg zeigt in seinem Feldzugsplane wie in seinen politischen Zielen
manche überraschende Aehnlichkeit mit dem Entscheidungskriege von 1866,
doch nicht um Deutschland von Oesterreichs Herrschaft zu befreien zog
Preußen das Schwert, wie drei Menschenalter später, sondern lediglich
zur Abwehr österreichischer Uebergriffe, zur Wahrung des Besitzstandes.
Obschon der alternde Held nicht mehr die Verwegenheit besaß, seinen
Kriegsplan so groß wie er gedacht war durchzuführen, so erwies sich doch
Preußens Macht stark genug den Wiener Hof auch ohne glänzende Kriegs-
erfolge zum Nachgeben zu zwingen. Baiern ward zum zweiten male
gerettet, der stolze Kaiserhof mußte sich herbeilassen „vor dem Berliner