Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Preußens Friedensvorschläge. 777 
welche Hardenberg zurückforderte, dachte die große Mehrheit des Volks den 
Alliirten feindlich — mit der einzigen Ausnahme des treuen Saarbrückens, 
das den Staatskanzler schon auf der Durchreise festlich begrüßt und aber— 
mals flehentlich um Vereinigung mit Preußen gebeten hatte;“*) selbst das 
benachbarte Saarlouis, die Heimath Ney's, war bis zum Fanatismus 
französisch gesinnt. 
Hinsichtlich der Geldentschädigung erinnerte Hardenberg an die thö— 
richte, von Preußen vergeblich bekämpfte Großmuth vom vorigen Jahre: 
„Es wäre Narrheit noch einmal ebenso zu handeln.“ Er verlangte, ob— 
gleich der ängstliche Altenstein ihm gerathen hatte sich mit 800 Mill. zu 
begnügen,“*) die Zahlung von 1200 Mill. Fr., davon 200 Mill. vorab 
für die Eroberer von Paris, Preußen und England. Eine Rechnung aus 
der Staatskanzlei wies sodann nach, daß Frankreich in den Jahren 1806 
bis 1812 aus Preußen allein 1228 Mill. erhoben hatte — was noch um 
reichlich 300 Mill. hinter der Wahrheit zurückblieb. *) Endlich, für die 
Zurückgabe der Kunstschätze und die Einlösung der anderen noch uner- 
füllten Versprechungen des vorigen Jahres sollte eine europäische Com- 
mission sorgen. Die preußischen Vorschläge waren streng, doch durchaus 
gerecht, Angesichts der vollständigen Niederlage des napoleonischen Heeres 
und der unbelehrbaren Feindseligkeit der Franzosen. Ein Unglück nur, 
daß die Entsagung, welche der preußische Staat für sich selber übte, die 
Behauptung der erhofften Beute erschwerte; denn wer anders als Preußen 
konnte die widerspänstigen Elsasser mit starker Hand festhalten während 
der bösen Uebergangszeit bis ein neues gut deutsches Geschlecht heran- 
wuchs? Da Oesterreich sein altes Erbe hartnäckig verschmähte, so tauchten 
die wunderlichsten Vorschläge auf; man dachte an einen vierzigsten Bundes- 
staat unter dem Kronprinzen von Württemberg, Gagern wollte das Elsaß 
sogar in die Eidgenossenschaft aufnehmen. Und daneben in Frankreich 
hunderttausende grollender napoleonischer Veteranen! Welche Aussichten 
für die Zukunft! 
Indeß ward dieser einzige stichhaltige Einwurf, der sich gegen Har- 
denberg's Vorschläge erheben ließ, von der Gegenpartei kaum beiläufig 
erwähnt. Die große Denkschrift, welche Capodistrias am 28. Juli über- 
reichte, bewegte sich vielmehr in den luftigen Regionen der politischen Ro- 
mantik, da Rußland die wirklichen Zwecke seiner Politik nicht enthüllen 
durfte. Der gewandte Grieche hatte sich in den salbungsvollen Ton, 
welcher der gegenwärtigen Stimmung Alexander's entsprach, um so leichter 
eingelebt, da er selber die großen Worte und die leeren Allgemeinheiten 
liebte, und führte beweglich aus: mit Frankreich habe Niemand Krieg 
  
*) Hardenberg's Tagebuch, 11. Juli 1815. 
Altenstein's Denkschrift über die Contribution, Paris 21. Juli 1815. 
VBsl. oben S. 321 u. 391.
	        
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