782 II. 2. Belle Alliance.
des Cabinets, man könne diese offenbare Gesinnung der Nation nicht
übersehen. Sogar der Prinzregent sprach sich für die deutschen Ansprüche
aus und folgte den Rathschlägen des Grafen Münster, der in Paris, zu
Stein's freudigem Erstaunen, mit den Preußen treulich zusammenging.
Ganz unbekümmert um den Widerspruch der Nation schritten Castlereagh
und Wellington ihres Weges weiter. Der Herzog blieb dabei, die Been-
digung der Revolution sei der einzige Zweck dieses Krieges, daher könne
jetzt nur eine Occupation für wenige Jahre erfolgen. Castlereagh schloß
sich ihm an und vertröstete die Preußen auf besseren Lohn nach zukünf-
tigen Kriegen:) „Fortgesetzte Ausschreitungen Frankreichs können ohne
Zweifel in künftigen Tagen Europa zur Zerstückelung Frankreichs nöthigen,
und Europa wird eine solche Veränderung seines Länderbestandes mit
Kraft durchführen und mit Einmuth aufrechthalten, wenn dieselbe dereinst
in den Augen der Menschheit als eine nothwendige und gerechtfertigte
Maßregel erscheinen wird.“ Aber der gegenwärtige Krieg ist nicht um
solcher Zwecke willen begonnen worden. Zum Schluß nochmals: „Wenn
die Alliirten durch den kriegerischen Ehrgeiz Frankreichs in ihrem Vertrauen
getäuscht werden sollten, dann werden sie nochmals die Waffen ergreifen,
nicht nur gestützt auf beherrschende militärische Positionen, sondern auch
mit jener sittlichen Kraft, welche allein eine solche Coalition zusammen-
halten kann.“
Also in der angenehmen Erwartung neuen Blutvergießens, neuer
Kriegsnoth sollten die nach Frieden schmachtenden Deutschen diese einzige
Gelegenheit zur Sicherung ihrer Grenzen aus der Hand geben! Was
Wunder, daß diese Anweisung auf zukünftiges Elend, neben den sal-
bungsvollen Worten von der sittlichen Kraft der Coalition, allen Deut-
schen wie Spott klang? Die Stimmung ward mit jedem Tage erregter.
Sogar der gesellige Verkehr zwischen den Staatsmännern der beiden Par-
teien gerieth in's Stocken, die Briten beklagten sich bitter über Humboldt's
eisige Kälte und schneidende Sarkasmen. So zog sich der Handel durch
anderthalb Monate. Endlich entschloß sich der Staatskanzler einen halben
Schritt zurückzuweichen; er erbot sich am 28. August, das obere Elsaß
aufzugeben, verlangte für Deutschland nur noch Diedenhofen und Saar-
louis, Landau und Bitsch, endlich Straßburg als freie Stadt.
Unterdessen hatte Gneisenau eine Denkschrift für den Czaren auf-
gesetzt, die am 31. August auf Befehl des Königs übergeben wurde;
Friedrich Wilhelm versprach sich von den feurigen Worten des Generals
einigen Eindruck und hoffte am nächsten Tage durch eine persönliche Unter-
redung seinen Freund vollends umzustimmen.) Ohne auf die preußischen
*) Castlereagh's vertrauliche Note an Hardenberg, wahrscheinlich im August ge-
schrieben.
*) Boyen an Gneisenan 31. Aug. 1815. Gneisenau, Memorandum für S. Maj.
den Kaiser Alexander.