124 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
russische Gönner verkaufte endlich sogar einen Teil seiner eigenen Flotte
an Spanien und verlangte, daß Europa durch gemeinsame Intervention
die aufständischen Kolonien Südamerikas mit dem spanischen Mutterlande
versöhnen solle. Alle Mächte widersprachen diesem abenteuerlichen Vor—
schlage; England und Osterreich verfolgten die mediterranische Politik des
Zaren mit um so lebhafterer Besorgnis, da inzwischen die Zustände der
Balkanhalbinsel ersichtlich einer neuen Erschütterung entgegenreiften.
Wie oft beklagte Metternich, daß sein „bester und sicherster Bundes-
genosse", die Türkei, der einzige Staat Europas blieb, der sich nicht auf
die Anerkennung der großen Mächte berufen konnte. Die Pforte hatte
aus trägem Hochmut versäumt, die Bürgschaft Europas für ihren Länder-
bestand in Anspruch zu nehmen; nun sah sie sich durch den Abschluß der
Heiligen Allianz aus der Gemeinschaft der europäischen Staaten förmlich
ausgeschlossen. Der Haß der Muhamedaner gegen die Giaurs flammte
mächtig wieder auf; Sultan Machmud ließ absichtlich einige Bestimmungen
des Bukarester Friedens unausgeführt und erwartete mit Zuversicht den
Wiederausbruch des russischen Krieges.) Unterdessen hatte die unaupfhalt-
same Erhebung der unglücklichen Rajah-Völker bereits begonnen. Die
Serben legten die Waffen nicht mehr aus der Hand und errichteten unter
der Leitung ihres Milosch ein halb-unabhängiges christlich-nationales Ge-
meinwesen, dessen Dasein schon den Grundgedanken des ottomanischen
Reichs widersprach; Sendboten der unzufriedenen Griechen verkehrten in
Petersburg und fanden bei Kapodistrias freundliche Aufnahme. Für die
Notwendigkeit der Befreiungskämpfe, die sich hier vorbereiteten, fehlte in
London wie in Wien jedes Verständnis. In den Kreisen der Hochtorys
galt die Erhaltung der Türkei kurzweg als ein politischer Glaubenssatz,
zumal seit das englische Interesse im Osten durch die Erwerbung der
ionischen Inseln gewahrt schien; statt aller Gründe berief man sich auf
den Ausspruch Pitts: mit einem Menschen, der den Bestand der Pforte
nicht für nötig hält, spreche ich kein Wort mehr über Politik. Metternich
aber wendete seine Doktrin von dem unantastbaren Rechte jeder legitimen
Obrigkeit unbedenklich auf die Fremdherrschaft der Türken an und ver-
abscheute die verzweifelnden christlichen Völker der Halbinsel nicht bloß als
Schützlinge Rußlands, sondern auch als frevelhafte Rebellen. In seiner
Angst bemerkte er nicht, daß der unstete Ehrgeiz des liberalen Selbstherr-
schers wohl zuweilen mit hochfliegenden Entwürfen spielte, doch den Mut
des Vollbringens nicht besaß. Der Zar erwiderte auf die besorgten Fragen
des Generals Steigentesch verächtlich: es sei eine Gewissenssache, das Blut
eines einzigen Soldaten zu vergießen im Kampfe gegen diese türkischen
Schweine.*) Und seinem Gesandten in Wien ließ er schreiben: die euro-
*) Rrusemarks Bericht, 8. Jan. 1817.
**) Krusemarks Bericht, 17. April, 13. Mai 1816.