Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Metternichs deutsche Politik. 127 
samt und sonders verhaßt, alle Italiener, „denen der Gedanke einer 
selbständigen Nation anzugehören lieb war“, grollten der neuen Regierung. 
Aber die Ruhe war noch nirgends gestört, und Metternich erwiderte zu— 
versichtlich, als Hardenberg ihm die Namen einiger verdächtigen italienischen 
Patrioten mitteilen ließ: den Italienern fehle, trotz ihrer schlechten Ge— 
sinnung, der Mut zu Verschwörungen.“) Was schien auch zu befürchten? 
An allen Höfen der Halbinsel herrschte ein hart absolutistischer Geist, der 
den Grundsätzen der Hofburg entsprach; die Bourbonen von Neapel hatten 
sich überdies am 12. Juni 1815 durch einen geheimen Vertrag verpflichtet, 
die alten monarchischen Institutionen aufrecht zu halten und dem Wiener 
Hofe alles mitzuteilen, was der Ruhe Italiens bedrohlich scheine. 
Den deutschen Angelegenheiten stand die Hofburg zunächst noch ganz 
planlos und gedankenlos gegenüber: genug wenn der Deutsche Bund not— 
dürftig zusammenhielt und im Kriegsfalle dem Hause Osterreich Heeres- 
folge leistete; dann mochten die Beratungen des Frankfurter Bundestages 
wieder ebenso leer und nichtig verlaufen, wie einst die des Regensburger 
Reichstags. Metternich verachtete die kleinen deutschen Höfe aus Herzens- 
grunde und rief stets unbedenklich den Zaren zu Hilfe, wenn „einige 
deutsche Fürsten, die einen Seelenhandel zu machen haben", sich über die 
Abwicklung ihrer Gebietsstreitigkeiten nicht einigen konnten. Aber er wußte 
auch, daß diese kleinen Herren sich nur darum zur österreichischen Partei 
hielten, weil sie die Hofburg als den wohlwollenden Beschützer ihrer 
Souveränität verehrten. Daher dachte er sie möglichst frei gewähren zu 
lassen; selbst der unbequeme Artikel 13 der Bundesakte, das Versprechen 
der Landstände, schien vorerst nicht allzu gefährlich, da die Mehrzahl der 
deutschen Höfe über jeden Verdacht liberaler Gesinnung erhaben war. Die 
Nüchternheit des österreichischen Staatsmannes hatte sich nie darüber ge- 
täuscht, daß sein Kaiserhaus an dem politischen Leben der deutschen Nation 
nicht teilnehmen, für die Förderung deutschen Rechts und deutscher Wohl- 
fahrt nichts leisten konnte. Noch in seinen Denkwürdigkeiten schrieb er 
unbefangen: „inbezug auf Osterreich hatte der Ausdruck: deutscher Sinn 
— insbesondere in der Bedeutung, wie sich derselbe seit der Katastrophe 
Preußens und der nördlichen Gebiete Deutschlands in den höheren Schich- 
ten der dortigen Bevölkerung manifestierte — lediglich den Wert einer 
Mythe. *" Jede Regung nationaler Gedanken in Deutschland war ihm also 
eine Gefahr für Osterreichs Herrschaft. Kaiser Franz vollends bearg- 
wöhnte den Patriotismus schlechthin als eine gefährliche revolutionäre Lei- 
denschaft und wollte nicht einmal von einem österreichischen Vaterlande 
hören, da doch alle staatliche Ordnung lediglich in dem Gehorsam der Unter- 
tanen gegen die Person des Herrschers bestand; als man ihm den Ent- 
wurf eines Dankschreibens an Schwarzenberg und das Heer vorlegte, strich 
  
*) Krusemarks Bericht aus Mailand, 28. Febr., 8. März 1816; aus Wien, 4. Jan. 1817.
	        
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