Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Der Streit zwischen Bayern und Baden. 135 
Diese neue Anmaßung Bayerns trieb den preußischen Staatskanzler 
endlich aus seiner Zurückhaltung heraus. Hardenberg war bisher sehr be- 
hutsam verfahren, da er Osterreich nicht verletzen wollte und sich selbst 
durch die Vereinbarungen von Ried und Paris etwas gebunden fühlte. 
Ein solcher Anspruch rechtswidriger Ländergier aber schien ihm „dem Zwecke 
des Deutschen Bundes geradeswegs zuwiderzulaufen“; niemals wollte er 
zugeben, daß Bayern die süddeutschen Kleinstaaten von dem Norden ab- 
trenne. Er änderte daher sofort den Ton, ließ in Wien und München 
entschieden erklären, Preußen werde schlechterdings keine Gewaltmaßregeln 
gegen Baden dulden, und blieb fortan ein treuer Beschützer des Karls- 
ruher Hofes. Der König von Württemberg erkannte die veränderte Hal- 
tung des Berliner Kabinetts dankbar an, und auch die Hofburg war insge- 
heim über Preußens Auftreten erfreut, denn Metternich verkannte nicht, daß 
die Ubermacht Bayerns im deutschen Süden dem österreichischen Interesse 
zuwiderlief; er konnte nur von seinen eigenen unredlichen Versprechungen 
sich nicht förmlich lossagen.) Indes die letzte Entscheidung aller Gebiets- 
fragen lag bei der Gesamtheit der vier Mächte, und da Kaiser Alexander 
noch keinen klaren Entschluß gefaßt hatte, ja eine Zeitlang sich sogar den 
bayrischen Ansprüchen günstig zeigte, so blieben die widerwärtigen Händel 
noch immer in der Schwebez sie verbitterten sich von Monat zu Monat 
und wirkten auf das nachbarliche Verhältnis der süddeutschen Staaten wie 
auf den Gang ihres Verfassungslebens tief und nachhaltig ein. Die beiden 
deutschen Großmächte aber hatten schon im September 1816 eingesehen, 
daß der Bundestag nun doch eröffnet werden mußte bevor die Gebiets- 
streitigkeiten ihren Austrag gefunden hatten. — 
Zum allgemeinen Erstaunen der diplomatischen Welt ließ der Wiener 
Hof dem Freiherrn vom Stein zweimal die Stelle des österreichischen Bun- 
desgesandten antragen. Wie niedrig mußte Metternich noch von der Be- 
deutung des Bundestags denken, wenn er dem Manne, den er als das 
Haupt der deutschen Jakobiner verabscheute und zudem wegen seiner über- 
spannten Ideen verachtete, die Leitung dieser Versammlung anbieten konntel 
Stein lehnte ab, schwerlich zur Überraschung der Hofburg; er wußte, daß 
er als Metternichs Untergebener eine seiner würdige Wirksamkeit nicht 
finden würde. Dann fiel die Wahl des Wiener Kabinetts auf den greisen 
Minister Albini, den letzten kurmainzischen Direktorialgesandten am alten 
Reichstage. Das Regensburger Treiben sollte in Frankfurt gemächlich fort- 
gesetzt werden; der das alte Reich zum Grabe geleitet hatte, war der rechte 
Mann um den neuen Bund aus der Taufe zu heben. Aber der alters- 
schwache Herr starb schon im Januar 1816 noch bevor er sein Amt an- 
getreten hatte; und nunmehr wurde der österreichische Gesandte in Kassel, 
  
*) Krusemarks Bericht vom 5. März. Küsters Bericht vom 14. März. Harden- 
bergs Weisungen vom 28. Febr., 4. März, 12. April 1817.
	        
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