136 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
Graf Buol auf die erledigte Stelle berufen, ein mittelmäßiger Kopf ohne
Urteil und Haltung, doch immerhin schlau genug um in aller Gemüt—
lichkeit ein kleines Ränkespiel anzuspinnen oder die untertänigen Diplo—
maten der Kleinstaaten durch überströmende Schmeichelei und gelegentliche
Lügen zu gewinnen.
Auch Hardenberg dachte für den preußischen Gesandtschaftsposten zu—
nächst an Stein. An dieser Stelle schien der gefürchtete Nebenbuhler unge—
fährlich; sein großer Name sollte der Nation für die deutsche Gesinnung
der preußischen Regierung bürgen. Der Freiherr zeigte sich anfangs be—
reitwillig, aber nach dem zweiten Pariser Frieden lehnte er verstimmt den
Antrag ab: sein altes Mißtrauen gegen den Staatskanzler hatte sich in
den letzten Monaten bis zu ungerechter Verachtung gesteigert, und von dem
Bundestage erwartete er jetzt kein Heil mehr. Nach längerem Schwanken
wendete sich Hardenberg endlich an den Gesandten in Kassel, von Hänlein,
einen älteren Diplomaten aus der fränkischen Beamtenschule, der sich wie
Albini seine Kenntnis der deutschen Dinge am Regensburger Reichstage
erworben hatte. Die unglückliche Wahl rächte sich schnell. Der neue Ge—
sandte bereitete seinem Staate noch vor der Eröffnung des Bundestags
eine empfindliche Niederlage, welche die ohnehin schwierige Stellung Preu—
ßens am Bunde auf lange hinaus verdarb — ein würdiges Vorspiel und
Vorbild für den gesamten Verlauf der Bundesgeschichte.
Am 23. Januar 1816 erklärte sich Hänlein bereit die Stelle anzu-
nehmen. Obgleich er an den Bestand und die segensreiche Wirksamkeit
des Bundestags noch keineswegs glauben wollte, so verließ er sich doch
auf seine reichen Regensburger Erfahrungen, sowie auf die Freundschaft
des Grafen Buol, seines allezeit verbindlichen und vertrauensvollen Kas-
seler Amtsgenossen, und übersandte dem Staatskanzler sogleich eine Denk-
schrift: „Was ist von dem Deutschen Bundestage zu Frankfurt zu erwarten?“"
Dem Kenner der alten Reichsverfassung entging nicht, daß Osterreich,
das doch „nur ein halbes Interesse an Deutschland nehmen könne“, eine
für Preußen ganz unerträgliche Führerstellung gewonnen hatte: die neue
Präsidialmacht mußte, da sie die Geschäfte allein leitete, am Bundestage
bald ungleich mächtiger werden als vordem der Kaiser auf dem Reichs-
tage. Er hob sodann hervor, wie durch die Bedingung der Einstimmigkeit
bei allen organischen Einrichtungen jede friedliche Fortbildung des Bundes
verhindert werde, „als ob man dessen Leben und tätiges Wirken in der
Geburt ersticken wollte."“ Angesichts solcher Zustände könne das verzwei-
felnde norddeutsche Volk leicht zu dem Entschlusse gelangen, dem preu-
ßischen Staate durch eine Revolution die Oberherrschaft in Deutschland
zu erringen. Um diese Gefahr abzuwenden, bleibe nur noch ein Mittel:
die Teilung der Herrschaft zwischen den beiden Großmächten. Osterreich
nimmt die Kaiserwürde wieder an, Preußen erhält den Titel des deutschen
Königs; dann übernehmen beide Staaten fest verbunden und völlig gleich-