Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

150 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages. 
Angesichts dieser stillvergnügten Nichtigkeit fielen manche politische Be— 
sorgnisse, welche Hardenberg anfangs gehegt hatte, von selbst hinweg. Der 
Staatskanzler gab seinen Widerspruch gegen die Anwesenheit auswärtiger 
Diplomaten bald auf, als er den Charakter des Bundestages kennen ge— 
lernt hatte; denn was stand von den Agenten des Auslandes bei einer 
so ohnmächtigen Versammlung zu befürchten? und was sollte man den 
großen Mächten antworten, als sie zur Abwendung möglicher Kriegsge— 
fahren die Zulassung ihrer Gesandten forderten, da die Bundesakte denn 
doch dem Bundestage das Recht der Kriegserklärung gewährt hatte? In 
der Tat fanden die Gesandten der Großmächte in Frankfurt vorderhand 
gar nichts zu tun. Was verschlug es, wenn die kleinen Diplomaten in 
dem Roten Hause, dem Malepartus des schlauen Russen Anstett, viel— 
geschäftig aus- und eingingen? Ernsthafte Fragen, bei denen der Einfluß 
des Auslandes schädlich wirken konnte, traten in diesen stillen ersten zwei 
Jahren noch nicht an den Bundestag heran. Auch die anfangs allgemein 
verbreitete Furcht vor einem geheimen Sonderbunde der alten rheinbün— 
dischen Kernlande erwies sich noch als verfrüht. Wohl war König Friedrich 
von Württemberg, auf die Nachricht von Hänleins Auftreten, alsbald nach 
Karlsruhe hinübergereist, um den Großherzog von Baden und den König 
von Bayern, der in Baden weilte, für eine gemeinsame süddeutsche Politik, 
zum Schutze der ungeschmälerten Souveränität, zu gewinnen; aber Bayern 
und Baden lebten in bitterer Feindschaft, und beide mißtrauten dem würt— 
tembergischen Nachbarn. Der Versuch mißlang vollständig,“) und als 
König Friedrich bald nachher starb, war von diesen rheinbündischen Plänen 
eine Zeitlang nicht mehr die Rede. Auch der sächsische Bundestagsgesandte, 
der steife alte Graf Görtz bewährte durchweg eine untadelhafte Harmlosigkeit, 
da sein König dem Hause Osterreich nie zu widersprechen wagte. 
Der Bundestag konnte indessen selbst jene unschuldigen Reklamations- 
Angelegenheiten nicht erledigen, ohne mit dem Dünkel der kleinfürstlichen 
Souveränität heftig zusammenzustoßen. Schon beim Beginn der Ver- 
handlungen sprach Bayern das Bedenken aus, ob die Bundesversammlung 
überhaupt befugt sei, Beschwerden deutscher Untertanen gegen ihre Landes- 
herren anzunehmen; doch wurde das bayrische Votum vorläufig in einem 
geheimen Protokolle vergraben. Als aber der Bundestag sich bald nach- 
her unterstand, eine Beschwerde solcher Art vor sein Forum zu ziehen, 
ward ihm ungestraft eine schnöde Beleidigung geboten. Aus keinem Lande 
waren so viele Klagen und Bitten eingelaufen, wie aus dem unglücklichen 
Kurhessen, das unter seinem heiß ersehnten alten Kurfürsten ein Regiment 
schamloser Willkür und Habsucht ertragen mußte. Unter den Unzähligen, 
denen der Kurfürst ihr gutes Recht vorenthielt, befand sich auch ein Guts- 
besitzer Hofmann. Der Mann hatte von der Kronkasse einige sekularisierte 
  
*) Jouffroys Bericht, Stuttgart, 20. Juli. Küsters Bericht, Baden, 25. Juli 1816.
	        
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