General Witzleben. 185
gediegenen Tüchtigkeit dieses Mannes und jenem schläfrigen Pedanten
Köckeritz, der vor 1806 das Vertrauen des Monarchen genossen hatte;
schon an der Wahl seiner Freunde ließ sich erkennen, wie Friedrich Wilhelm
gewachsen war mit der wachsenden Zeit. Der König war zuerst auf Witz-
lebens militärische Begabung aufmerksam geworden und erfuhr erst all-
mählich, welche vielseitige Bildung der junge Gardeoffizier besaß, wie er
mit Wilhelm Humboldt und anderen Größen der Wissenschaft freund-
schaftlich verkehrte, als Musiker ein ungewöhnliches Talent bewährte, auch
in der Theologie, die dem Herzen des Königs so nahe stand, wohlbewandert
war und bei alledem so anspruchslos blieb, ganz frei von Selbstsucht,
romm ohne Wortprunk, ein glücklicher Familienvater. Der neue General-
fadjutant erwarb sich bald das unverbrüchliche Vertrauen Friedrich Wilhelms;
er durfte dem Monarchen alles sagen, weil er die natürliche Lebhaftigkeit,
die aus seinen dunklen Augen blitzte, immer zu beherrschen verstand und
bei seinem ehrlichen Freimut niemals die herzliche Verehrung für seinen
königlichen Freund vergaß. Er diente als Vermittler zwischen dem Könige
und den Ministern, ward bei allen großen Staatsgeschäften zu Rate ge-
zogen und bewältigte Tag für Tag im Tabaksrauche seines einfachen Zim-
mers ungeheuere Arbeitslasten mit einem rastlosen Fleiße, der seinen Körper
schon nach zwei Jahrzehnten vor der Zeit aufrieb. Im Drange der Ge-
schäfte hatte er nur selten die Muße gefunden, die Erlebnisse des Tages
aufzuzeichnen; seine Tagebücher enthalten oft viele Monate lang nur weiße
Blätter, oft nur kurze Reisenotizen; wo sie aber über Politik reden, da
zeigt sich stets ein gerader Soldatenverstand, gründliche Sachkenntnis und
unbedingte Aufrichtigkeit. Obwohl er sich selber nicht zu den staatsmän-
nischen Köpfen rechnete und den Parteien des Hofes behutsam fern blieb,
so hielt er doch mit seinen gesunden politischen Urteilen nicht hinter dem
Berge: er betrachtete die neue Heeresverfassung als das feste Band der
Staatseinheit, hielt die Vollendung der Stein-Hardenbergischen Reformen
für unerläßlich und — was in diesen Tagen der geheimen Einflüsterungen
am schwersten wog — er kannte und liebte das preußische Volk. Nichts
schien ihm verächtlicher als der Versuch „in des Königs reiner Seele einen
Argwohn zu erwecken“; nichts brachte ihn ab von dem zuversichtlichen
Glauben: „es gibt keine gediegenere Treue, als die bei uns wohnt.“
Das stille Wirken dieses treuen Vermittlers war um so heilsamer,
da der König seit den Mißerfolgen des Wiener Kongresses den Staats-
kanzler nicht mehr mit dem alten Vertrauen behandelte und den Uner-
setzlichen doch nicht entlassen konnte. Als Hardenberg seinen siebzigsten
Geburtstag feierte, rief Goethe dem alten Universitätsgenossen zu:
Auch vergehn uns die Gedanken
Wenn wir in dein Leben schauen,
Freien Geist in Erdenschranken,
Festes Handeln und Vertrauen.